Hasnain Kazim: Post von Karlheinz: Wütende Mails von richtigen Deutschen

Gerade habe ich mich bei Facebook abgemeldet, da kommt der ganze Müll zurück. Wenn auch dieses Mal in einem anderen Kontext. Hasnain Kazim, Spiegel-Redakteur mit indisch-pakistanischen Wurzeln, schreibt in diesem Buch über die rassistischen, faschistoiden Briefe, die ihn schon als Jugendlicher erreichten. Bevor sie mit der Digitalisierung dann von Facebook und per Email kommen sollten. Doch anstatt zu verstummen und zu ertragen, beschließt er, zurück zu schreiben. Schlagfertig, intelligent, witzig und überraschend. So entstand ein kluges und zugleich augenzwinkerndes Buch über seine Schlagabtäusche mit den Karlheinzen dieser Welt. Er will damit zeigen, warum man den Hass, der im eigenen Postfach landet, nicht unkommentiert lassen sollte. Denn, wie Hasnain Kazim schreibt: »Wenn wir schweigen, beginnen wir, den Hass zu akzeptieren.«

Das Buch ist kein literarisches Werk, sondern ein Abbild des Deutschlands von heute. Mehr und nicht weniger will es sein. In diesem Sinne ist es erschreckend, was sich heute Menschen in der vermeintlichen Anonymität des Internets an Hass, Verachtung und Dummheit leisten. Doch Kazim betont, dass es kein neues Gefühl ist, sondern eins, dass sich direkt und personifiziert früher nicht zeigen durfte. Bis zum Beginn des Internets für Jedermann. So witzig und clever sich die Antworten von Kazim lesen, so erschreckend, was in einem Land, das Millionen Juden, Behinderte und Kranke, Sinti und Roma ermordet hat, Menschen wieder von sich geben. Gerade die Menschen, die damals mit knatterndem Trabbi und den Wessis die Bananen wegfressend selbst aufgenommen wurden. Kazim hat da aus seiner eigenen Geschichte einen teilweise erschreckend klaren Blick, den wir oft meinen, uns nicht leisten zu dürfen. Auch dann nicht, wenn diejenigen pöbelnden deutschen Landsleute mit ihrer Muttersprache in Rechtschreibung und Ausdrucksfähigkeit schnell an ihre sehr engen Grenzen kommen.

Für mich spricht Kazim aber noch mehr Fragen an, die aktuell umgehen. Was ist Heimat? Kann man mehr als eine Heimat haben? Was ist Deutsch? Was ist Kultur oder Kulturkreis? So ist sein Buch nach dem Lesen mehr als nur eine Schilderung über den Umgang mit unfassbarer Dummheit und Ignoranz. Es ist auch die Frage, wie wir dieses Land in Zukunft gestalten wollen. Ich denke, dieser Deutsche mit der dunklen Haut und den Wurzeln in fernen Ländern könnte mit seiner Objektivität und Klarheit dabei eine große Hilfe sein. Ein lustiges Buch, das nach der letzten Seite seinen Leser eher etwas ratlos zurück lässt. Eventuell hat er Recht mit dem Rat, dass wir gegen AfD und Neonazis ankämpfen müssen, anstatt uns feige in unsere vier Wände zurück zu ziehen. Vielleicht brauchen wir doch wieder mehr Arroganz. An den richtigen Stellen.

 

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  1. […] erstes Buch dieser Reihe, mit dem er bekannt wurde, war »Post von Karlheinz«. Wie und was er wütenden Zuschriften entgegnet und warum. Kazim ist Autor für den Spiegel und […]

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