Als ich den Klappentext las, war mir nicht mehr wirklich erinnerlich, warum ich dieses Buch bei der Bundesanstalt für politische Bildung bestellt hatte. «Wahn und Wunder – Hitlers Krieg gegen die Kunst». Denn außer zu Musik habe ich zu Kunst keine wirklich innige Beziehung. Diszipliniert, wie ich gelegentlich bin, begann ich zu lesen. Musste dann schon nach kurzer Zeit zugeben, dass ich ein Buch erwischt hatte, das noch einmal neue, unbekannte Aspekte der Naziherrschaft zeigte. Es geht um Kunst, beginnend in der Weimarer Republik, endend, genau genommen, in der Gegenwart. Doch es geht um eine spezielle Kunst und dem, was daraus folgen sollte, in allen Konsequenzen. Um die Kunst von Psychiatrie-Insassen, um „entartete“ Kunst, um moderne Kunst, um den Umgang der Nazis mit Kunst und um ihr Verständnis, was Kunst denn sei und wozu gut. Davon nicht zu trennen ist die unsägliche Aktion T4, als die Nazis begannen, Behinderte und psychisch Kranke in ausgewählten Anstalten mit Kohlenmonoxid, überdosierten Medikamenten oder schlichtweg durch Verhungern zu ermorden. Sozusagen als Prototyp des später folgenden Holocausts. Also nicht nur ein Buch über Kunst, sondern viel mehr über Zeitgeschichte. Über die Irren, die bis 1945 frei herum laufen durften. Über eine Zivilgesellschaft, eine Justiz und Kirchen, die wegschauten. Bis es zu spät war.