Nach einer im «The Guardian» veröffentlichten Untersuchung sind drei Viertel der Kinder und Jugendlichen in Großbritannien weniger draußen als Gefängnisinsassen. Für Deutschland würden die Zahlen nicht viel anders aussehen. Vor der Bankfiliale in unserem Dorf parken nicht selten Leute direkt vor der Tür auf dem Gehweg, weil sie die zehn Meter vom Parkplatz nicht bis zum Eingang schaffen oder gehen wollen. Das andere Extrem ist der Norweger Erling Kagge, der sich zu Fuß auf den Weg zu Nord- und Südpol machte, den Mount Everest bestieg, New York durchquerte, zum Teil durch die Kanalisation. In seinem Buch beschreibt er, warum für ihn das Gehen so wichtig ist, warum das Gehen ein unverzichtbarer Teil seines Lebens ist. Doch es ist nicht nur das Gehen als solches, sondern das Unterwegssein, das Erkunden und Entdecken, die kleine Flucht aus dem Alltag mit Fernsehen, Kontoauszügen und Arbeiten in seinem Verlag. So ist sein Essay weniger eine Schilderung seiner Wanderungen und Unternehmungen, sondern eine philosophisch angehauchte Betrachtung, was Gehen für den Menschen bedeutet. Wenn nicht das Gehen erst den Menschen zu dem gemacht hat, was er heute ist. Das Gehen auf zwei Beinen, die Bipedie, ist jedoch nicht seine Erfindung, schon der Australopithecus war zwei Millionen Jahre vor ihm so auf dem Weg. Erst Homo Sapiens machte sich dann auf den langen Weg in alle Welt. Doch das sind nur die Seitenblicke auf das Wesentliche, der Verlust des Kontaktes des modernen Menschen zur Natur, zum bewussten Sehen und eben sich fortbewegen. Das Aufgeben des Gehens bedeutet nach Kagge viel mehr als Bequemlichkeit, es ist der Verzicht auf das wirkliche Wahrnehmen der Welt um uns herum. Es ist kein Märchen, dass das Wandern im Wald so erholsam und erleichternd sein kann. Beim Wandern zu sich zurück kommen, wieder einen Blick für das Wesentliche zu bekommen, das ist es, was Kagge antreibt. Und ich verstehe ihn und sein Buch sehr gut. Wenn ich an meine Wanderungen in Snowdonia und im Lake District zurück denke und mich erinnere, wie ich mit jedem Schritt der wahren Welt näher kam. Ein kluges Buch mit vielen Querbezügen, eine Aufforderung zum Entdecken und Erwandern.

“Erling“Gehen.
Erling Kagge (* 15. Januar 1963 in Oslo) ist ein norwegischer Autor, Abenteurer, Kunstsammler und Verleger. Kagge wuchs in Oslo auf. Er studierte Jura, wurde Anwalt und arbeitete für Norsk Hydro. Zusammen mit seinem Landsmann Børge Ousland nahm er im Jahr 1990 an der ersten nicht unterstützten Expedition zum Nordpol teil. 1992/93 beendete er die erste nicht unterstützte Soloexpedition zum Südpol, den er am 7. Januar 1993 erreichte. Die 1310 km lange Strecke legte er dabei in 51 Tagen zurück. Im Jahr 1994 bestieg er den Mount Everest. Er wurde damit zur ersten Person, die diese drei Extrempunkte der Welt erreicht hat. Nach seinem Rekord, als erster Mensch die „drei Pole“ erreicht zu haben, studierte Kagge einige Semester Philosophie an der Universität Cambridge. In 1996 gründete er in Oslo den Verlag Kagge Forlag, der heute in Norwegen zu den führenden Buchverlagen zählt. In 2000 erwarb Kagge Forlag das traditionsreiche Verlagshaus „J.M. Stenersens Forlag“. Kagge ist ein bekannter Kunstsammler. 2015 veröffentlichte er das Buch «A Poor Collector’s Guide to Buying Great Art», in dem er den Kunstkauf mit wenig Geld thematisierte. Da der Kunstmarkt von Überproduktion und Überangebot geprägt ist, ist für ihn ein Kunstwerk kein Spekulationsobjekt; es vermittle vielmehr eine seelische Rendite, das Leben mit der Kunst bereite Vergnügen.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Erling Kagge aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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Dass man Geschichte durchaus interessant, sogar spannend und unterhaltend darstellen kann, hatten schon Bücher wie «Acht Tage im Mai» oder «Februar 33» bewiesen. Nicht ohne Grund bezieht sich Michael Wildt in seinem Vorwort auf «Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts» vom Historiker und Erzähler Golo Mann, immer noch ein Highlight der historischen Literatur. Nicht als Vergleich, sondern um eine neue, oder weitere Art der Darstellung der unruhigen und unrühmlichen Zeit in diesem unserem Lande zu eröffnen. Vergleichen kann sich Wildt mit Mann allerdings in einem Fall, nämlich was den Umfang des Buches angeht. Ein ziemlich heftiges Bündel Papier, was der Preis bei der BPB gar nicht vermuten lässt. Mit solchen Schinken tue ich mich immer zuerst etwas schwer. Weil sie doch eine lange Konzentration abverlangen und den Weg zu weiteren Büchern eine Zeit lang blockieren. So musste ich einen ordentlichen Anlauf nehmen, bevor ich die ersten Seiten aufschlug. Schon im Vorwort kündigt Wildt jedoch an, ein anderes Herangehen an die Erzählung der Geschichte wählen zu wollen als andere Autoren. Vereinfacht gesagt, einmal eher gröber, andererseits detaillierter. Und in der Tat entpuppt sich Wildts Art der Annäherung an diese vielschichtige und spannende Zeit als hervorragendes Rezept. So dass das Buch gerne immer wieder nach leider notwendigen Pausen in die Hand genommen wird. Um beim Begriff Rezept zu bleiben: es mundet ausgesprochen gut.

Michael WildtDie zerborstene Zeit


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»Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin Vox-Haus auf Welle 400 Meter.« So begann am 29. Oktober 1923 die Zeit eines damals ganz neuen Mediums. Inzwischen hat das Radio, genauer der Hörfunk, viele Etappen hinter sich bringen müssen. Argwöhnisch beäugt in der Weimarer Republik und wie selbstverständlich staatsdienend, als Propagandainstrument in den Händen der Nazis, auferstanden aus Ruinen nach 1945, im Westen runderneuert am Beispiel der BBC, bevor die Alliierten ihn in die Hände des neuen deutschen Staates gaben. Auf der anderen Seite des Zaunes blieb das Radio Instrument des Staates, mit ihm sollte im real existierenden Sozialismus der neue Mensch gebildet, erzogen und informiert werden. Auch diese Phase fand 1989 ihr Ende. Seitdem gibt es wieder den MDR und der NDR hat neue Sendegebiete hinzu bekommen. Deutschland, einig Radioland. Zum runden Geburtstag hat nun die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Deutschen Rundfunkarchiv diesen Sonderband heraus gegeben. Für mich als Radiofreak seit meiner Kindheit, Fan von WDR 5 und Deutschlandfunk, ein Muss. Dabei als Hardcover im Großformat für nur sieben Euro ein tolles Geschenk für alle, die immer noch Radio hören, lieben und nicht darauf verzichten möchten.


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Donald Trump erzählte einmal, der deutsche Golfer Bernhard Langer hätte ihm berichtet, wie er vor einem Wahllokal in den USA 2016 merkwürdige Vorgänge beobachtet habe. Dazu befragt, sagte Langer, dass er Trump niemals persönlich getroffen hätte. Zwar konnte Langer sich daran erinnern, mit Leuten über die Ungerechtigkeit des amerikanischen Wahlsystems gesprochen zu haben, aber niemals mit Donald Trump. Ein typisches Beispiel für Halbwahrheiten, denen sich Nicola Gess in ihrem Essay widmet. Wie der Name schon sagt, sind Halbwahrheiten keine Lügen. Stattdessen werden Fakten aus dem Zusammenhang gerissen, verfälscht oder in einen anderen Kontext gesetzt, so dann uminterpretiert. Der Unterschied mag marginal erscheinen, doch die Wirkung von Halbwahrheiten ist verheerend. Wie im Buch zu lesen, sind Halbwahrheiten gefährlicher als Lügen, weil nicht mehr klar erkennbar ist, was noch Fakt und was Fiktion. Das Thema hat jedoch in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung zugelegt, weil Identitäre, Rechtspopulisten bis hin zu Rechtsextremen diese Kommunikationsform ausgiebig nutzen. Weil die Wirkung von Halbwahrheiten umso größer ist, je stärker sie die schon vorhandenen Überzeugungen belegen. Wie auch immer bezeichnet, als Halbwahrheiten, alternative Fakten, oder als Bullshit.


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