Vielen ist sicher noch das Zitat „Wir riefen Arbeitskräfte, es kamen Menschen“ in Erinnerung. So richtig das Zitat ist, ist es aus dem Zusammenhang gerissen. Der Teil „Ein kleines Herrenvolk sieht sich in Gefahr“ davor wird immer weggelassen. Es stammt aus einer Rede von Max Frisch, ist aber eben nur ein Nebensatz. Es ging auch nicht um Deutschland und türkische Gastarbeiter, sondern um Schweizer und Italiener. Die kamen noch vor den Türken in die Alpenrepublik als Türken nach Deutschland, stießen auf Abwehr und Fremdenfeindlichkeit. Besonders berüchtigt waren Männer, denen das Messer in der Tasche locker saß. Nein, eben nicht Muslime in Deutschland, sondern Italiener in der Schweiz. Die ersten Gastarbeiter in Deutschland waren dann auch Italiener, nicht Türken. Die Italiener landeten gesellschaftlich wie in der Schweiz ganz unten. Erst als das Anwerbeabkommen mit der Türkei geschlossen wurde, kamen türkische Gastarbeiter ab 1961 in die Bundesrepublik. Nun standen die Türken ganz unten und die Italiener durften aufsteigen. Diese Eingangsgeschichte wirft in Anpalagans Buch einen Blick zurück, in die Zeit, als das kleine Herrenvolk mit fremden Gebräuchen, Gerüchen und Gerichten konfrontiert wurde. Damals sprach noch niemand davon, Fremdenfeindlichkeit wie auch offener und subtiler Rassismus sei ein Phänomen des rechten Randes im politischen Spektrum. Schon damals waren es Themen der Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft. Bis heute, so Anpalagan.

Stephan AnpalaganKampf & Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft


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Die Polykrise der letzten Monate, Putin und Trump, Bundestag, Klima und Ukraine, haben mich eher bei aktuellen Podcasts gehalten. Doch ein neues Buch von Bernhard Pörksen ist ein Wecker, mich mal wieder lesend mit anderen Themen zu beschäftigen. Pörksen beginnt das Buch mit einer Geschichte von Søren Kierkegaard. Ein Zirkuszelt am Rande eines Dorfes, inmitten ausgetrockneter Felder, gerät in Brand. Ausgerechnet den schon geschminkten Clown mit seinen lustigen Schuhen schickt man ins Dorf, um zu warnen und um Hilfe zu holen. So sehr er sich anstrengt, die Gefahr zu schildern, in der das Dorf schwebt, lacht man über ihn und hält sein Erscheinen für einen Gag und für Werbung. Niemand hört ihm zu, was er wirklich zu sagen hat, bis es zu spät ist. Dabei würde man sagen, Zuhören sei doch ganz einfach und alltäglich. Aber hören wir wirklich immer, was uns unser Gegenüber zu sagen hat, hören wir die wirkliche Botschaft? Zuhören, Dialog auf Augenhöhe, sind Schlagworte unserer Zeit, aber nur Leerformeln der politischen Rhetorik. Was heißt denn zuhören, nämlich die eigenen Überzeugungen in Frage stellen oder außenvor lassen, sich der Sicht auf die Welt anderer Menschen auszusetzen? Warum hörte man lange nicht auf die Opfer des sexuellen Missbrauchs in Schulen und in den Kirchen, warum hört man nicht auf die Warnungen vor dem Klimawandel? Pörksen zeigt, welche Mechanismen das Zuhören verhindern, ob im privaten Umfeld oder in der Öffentlichkeit. Und er präsentiert Ansätze und Methoden, die eine neue Offenheit, tieferes Verstehen und empathisches Zuhören ermöglichen. Wie erreicht man, so lautet die Schlüsselfrage, diejenigen, die man nicht mehr erreicht?

Bernhard PörksenZuhören
DeutschlandfunkAuswege aus der Polarisierungsfalle


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