Schon lange auf der Leseliste. Bereits 2013 erschienen, aber noch immer relevant. Jürgen Wiebicke schätze ich zuerst einmal als Moderator in WDR 5, sein „Philosophisches Radio“ höre ich seit vielen Jahren. Mein erster Gedanke beim Buchtitel führte mich zurück zu einem älteren Werbeclip für eine Schokolade, die angeblich nicht dick macht. Wie ein schlankes blondes Wesen, sich keck eine Strähne aus dem Gesicht streichend, beim Joggen ihrer eher pummeligen Freundin weismachen will. Kurz danach der Jingle: „Ich will so bleiben wie ich bin …“. Werbemüll halt. Doch bei Wiebicke geht es um mehr, um eine philosophische Betrachtung. Geht man mal einige Jahrzehnte zurück, am besten so mindestens 50 oder 60 Jahre, stellen sich heute Fragen zu Ethik und Moral, die in der Zeit der Altvorderen nicht einmal in Sicht waren. In 1993 sind 34 Kilogramm Methylphenidat verschrieben worden. Gegen ADHS, Markenname Ritalin. In 2011 waren es bereits 1794 Kilogramm. Nicht nur werden zahllose Kinder damit vollgestopft, sondern Leute werfen das Zeugs ein um intellektuell fitter, leistungsfähiger zu sein. In Schule, Studium oder Job. Modafinil ist ein Medikament für Narkolepsie-Patienten, die tagsüber von einer Sekunde zur nächsten in Schlaf fallen. Gesunde nutzen es, um Schlafmangel zu überdecken. Leider sinkt durch das Medikament auch die Fähigkeit zur Risikoabschätzung. Nennt sich dann Hirn-Doping. Also die Frage: Dürfen wir auch bleiben, wie wir sind? Oder müssen wir ständig schneller, besser, intelligenter, leistungsfähiger, klüger werden? Wann wird aus dem Kann ein Muss? Spätestens in den Achtzigern hat diese Entwicklung begonnen. Doch die Fragen gehen weiter und tiefer. Denn die schöne neue Welt wirft immer neue Themen auf. Um die auch der Philosoph keinen Bogen machen kann.
Archiv für das Monat: Mai, 2025
Normalerweise sind ja Bücher mit politischem oder gesellschaftlichem Hintergrund mein Thema. Wenn ich hier ein Kochbuch anspreche, dann deshalb, weil es mich echt begeistert. Italienische Küche sind Pizza und Pasta? Von wegen. In einer Neuauflage liefert Domenico Gentile eine reichliche Sammlung italienischer Gerichte, immer ohne Fleisch, mit viel Gemüse und Obst. Suppen, Salate, Aufläufe, und natürlich auch Pasta in für mich ganz neuen Varianten. Von einfach wie Spaghetti Aglio bis zu sehr ausgebuffter Lasagne. Die Zutatenlisten sind überschaubar, die Zutaten selbst in jedem halbwegs gut sortierten Supermarkt zu bekommen. Gentile macht die Pasta natürlich frisch, passende Mehle beziehe ich aus der Eiling-Mühle nicht weit von Büren. Fertige Pasta ist aber ebenso immer angegeben, dadurch werden die meisten Gerichte in 20 oder 25 Minuten bewältigt. Mehr als 60 hier eher unbekannte Highlights der italienischen Küche werden auch fotografisch von Hubertus Schüler ansprechend präsentiert. Die meisten Rezepte also weit jenseits dessen, was man bei unseren üblichen Italienern sieht.
Italienische Küche mal ganz anders. Ein ziemlich dickes Kochbuch für 28 Euro, an dem man lange Spaß hat.
Wenn es um die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geht, dann zuerst um Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma, ebenso um Kommunisten und Sozialdemokraten nach der Machtergreifung der Nazis. Andere Gruppen werden allerdings fast nie Thema, wurden sogar bis 2020 von Entschädigungszahlungen und Anerkennung ausgeschlossen. Das waren die von den Nazis „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ genannten Menschen. Diesen Menschen nicht nur ein Gedenken zu geben, sondern ihre Geschichten aus der Versenkung zu holen, ist Ziel des Buches von Frank Nonnenmacher, der als Herausgeber wirkt. Denn in diesem Buch erzählen Menschen von Großvätern und Urgroßmüttern, die meist ohne wirkliches Verschulden in den Konzentrationslagern umkamen. Manchmal reichte es schon, einfach ein anderes Leben zu führen als es den Nazis angenehm war, wie Untermieter bei einer Sexarbeiterin zu sein. Gerade in Kriegszeiten, als Hunger und Kälte herrschten, reichte das wiederholte Stehlen von Kohle und Kartoffeln zum Urteil als Berufsverbrecher oder Berufsverbrecherin. Oder man hatte sich gar nichts zuschulden kommen lassen, aber die SS brauchte Zwangsarbeiter in der Rüstungsproduktion. Oder Denunziation oder Neid der Nachbarn war das Problem. Oft schon aus Gefängnis oder Zuchthaus landeten diese Menschen in den KZs und verloren ihr Leben. Gerade in den Lagern, in denen das Programm Vernichtung durch Arbeit lautete, wie in Flossenbürg oder Mauthausen. Doch gesellschaftliche Scham ihrer Familien ließ diese Menschen nach 1945 unsichtbar werden. Das will Nonnenmacher ändern.