"Deutschland. Aber normal." war eine Wahlparole der AfD in der letzten Bundestagswahl. Was die AfD unter "normal" versteht, ist klar. Eine normale Familie besteht für sie aus Vater, Mutter und Kindern, ein normaler Mann findet nur Frauen sexuell attraktiv, normal ist es, wenn der Titel Doktor selbstverständlich auch Doktorinnen einschließt. Dabei ist der Begriff der Normalität spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts schwer ins Wanken geraten. Eine Norm, von diesem Begriff leitet sich Normalität ab, ist eine willkürliche Definition oder Festlegung, die irgendwann irgendjemand irgendwo mal gemacht hat. Doch für die meisten Menschen heißt normal nur, was die breite Mehrheit richtig, schön oder gut findet. Also genau diese Menschen. Stephan Lessenich hat als Soziologe eine andere Sicht der Dinge. Deshalb widmet er sich in diesem Buch nicht der Frage, was denn nun normal sein soll, sondern warum und wie eigentlich gar nichts mehr normal ist. Mehrere Faktoren haben Normalität inzwischen in Frage gestellt. Minderheiten wie Schwule oder schwarze Deutsche wollen die Zonen der Unsichtbarkeit verlassen, fordern ihren Anteil an sozialer Teilhabe ein. Seit vielen Jahrzehnten fanden es vorwiegend Männer schick, mit dem Auto mit Höchstgeschwindigkeit über bundesdeutsche Autobahnen zu rasen. Der Klimawandel stellt dieses angebliche Recht inzwischen in Frage. Das Aasen mit fossiler Energie hat spätestens ein Ende, nachdem der Möchtegern-Zar in der russischen Hauptstadt kein Öl und Gas mehr liefern darf. Ganz zu schweigen davon, was Corona mit der angeblichen Normalität angestellt hat. Normal ist also so gut wie nichts mehr. Dem Warum geht Stephan Lessenich nach.
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