Wenn auch kein Fan von Romanen und Kurzgeschichten, habe ich die von Mark Twain, oder die Bücher von Juli Zeh oder gerade das von Ewald Frie sehr gerne gelesen. T. C. Boyle war mir nicht unbekannt. Über seinen Geschichtenband schreibt der Deutschlandfunk:

Eine große Leserschar hängt T.C. Boyle dabei regelrecht an den Lippen. Sie wird angesichts der enormen Produktivität erstaunlich selten enttäuscht. Im Gegensatz zu den groß ausgelegten Romanen, die gesellschaftliche Analysen und psychologische Entwürfe planvoll durchdeklinieren, ist Boyle in der kleinen Form der Short Story ganz bei sich als erzählender Zauberer oder verzaubernder Erzähler.

(Auch in dieser Rezension hat das Lektorat dramatisch versagt)

Also mal versuchen, als Abwechselung zwischen Sachbüchern über Geschichte, Politik oder Philosophie. Schon die erste Geschichte ließ mich ratlos zurück. Also versuchte ich die zweite. Nach der eher ertragenen dritten Geschichte beschloss ich, das Buch als Fall für die blaue Tonne einzuordnen. Die Geschichten in diesem Band haben weder eine Botschaft, noch eine Essenz, noch bieten sie irgendeine Form von Erkenntnis oder Verstehen. Das einzig Auffällige an den Geschichten war das aneinander Reihen von mehrwürdigen Sprachbildern („Die Rücklichter der Autos bluteten in die Nacht“) sowie weder logisch noch zeitlich passende Sprünge. Mir wurde nicht einmal klar, worum es in der jeweiligen Geschichte ging. Es sind Geschichten, die anscheinend nur um des Erzählens willen erzählt werden. Oder um Knete zu machen. Warum die Leserschar an Boyles Lippen hängt, ist mir in keiner Hinsicht verständlich. Aber es gibt ja bekanntlich nicht wenige Leute, die gerne Maggi-Tütensuppen essen. 13 verschwendete Euros.

Jean-Jacques Rousseau behauptete, die Ungleichheit der Menschen hätte begonnen, als nach dem Übergang vom Jäger und Sammler zur Landwirtschaft ein Bauer seinen Acker einzäunte und zu seinem Privateigentum erklärte. Man muss dem Genfer Philosophen zugute halten, dass man zu seiner Zeit über die Frühzeit des Homo Sapiens so gut wie nichts wusste. Erst moderne Methoden der Archäologie und der Biogenetik in den letzten Jahrzehnten haben einige zuverlässigere Hinweise ergeben, wie die Geschichte der Menschheit verlief. Während in den Schulen immer noch stereotype Geschichten erzählt werden. Dieses Buch möchte das ändern. Entstanden ist es aus den Diskussionen eines Anthropologen und eines Archäologen über einen Zeitraum von über zehn Jahren. Seit dem 19. Jahrhundert stritt die Wissenschaft darüber, wie eigentlich Menschen ganz früher gelebt haben, wie sie in Gemeinschaften zusammen fanden, ob sie viel oder wenig arbeiteten, wie überhaupt das Leben in der Zeit vor der Neolithischen Revolution, dem Übergang zur sesshaften Landwirtschaft, aussah und verlief. Es geht zum größten Teil um die Jungsteinzeit bis zu den letzten Jahrtausenden vor unsere Zeitrechnung. Wengrow und Graeber zeichnen ein anderes Bild als das gewohnte. Der Ausgangsgedanke im Buch ist überraschend, hat aber mit Rousseau zu tun. Nämlich ob es Ungleichheit unter den Menschen, sozial und wirtschaftlich, schon in den Anfangstagen gab. Oder wann sie so wurde, wie sie heute ist. Auf jeden Fall war alles ganz anders, als Rousseau meinte.

David Graeber/David WengrowAnfänge


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Geht man einmal dreihundert Jahre zurück, sammelten Menschen Erfahrungen und Wissen aus ihrer direkten Umwelt. Was in Haus und Hof funktionierte und was nicht, was stimmte und was nicht. Wir dagegen haben es im Vergleich dazu schwer. Unsere Umwelt ist so komplex und unüberschaubar geworden, dass wir ständig auf die Aussagen und Urteile anderer Leute angewiesen sind. Selbst in den Siebzigern des 20. Jahrhunderts noch interessierte uns im Wesentlichen Deutschland, eventuell noch ein bisschen die USA. Heute landen Vorgänge und Geschehen in Ländern auf der anderen Seite der Welt in Sekundenbruchteilen auf unserem Smartphone. Unmöglich, sich da eine eigene Meinung zu bilden, geschweige denn Richtiges von Falschem zu unterscheiden. Doch haben nicht wenige Menschen damit ein Problem. Selbst wenn die Möglichkeit bestehen würde, Nachrichten zu überprüfen, wer wollte denn ohne das nötige Fachwissen entscheiden, ob mRNA-Impfstoffe sicher sind, Glyphosat gefährlich oder harmlos, ob sich tatsächlich das Weltklima verändert. Doch wem vertrauen und was bezweifeln? Ortwin Renn kommt aus der Risikoforschung, hat sein Buch in 2022 für die 3. Auflage grundlegend überarbeitet sowie die Erfahrungen mit Corona und Flüchtlingskrise einfließen lassen. Und widmet sich ausgiebig der Frage, warum sich so viele Menschen lieber auf gefühlte Wahrheiten aus sozialen Medien als auf Ergebnisse der Forschung und Ratschläge von Wissenschaftlerinnen und Experten verlassen.

Ortwin RennGefühlte Wahrheiten


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