Ewald Frie: Ein Hof und elf Geschwister

Ewald Frie wurde 1962 im münsterländischen Nottuln geboren. Seine Eltern betrieben einen der  Bauernhöfe außerhalb des Dorfes, auf der Horst. Bedingt durch Corona-Krise und deshalb vertagten anderen Projekten begann er, die Geschichte der Familie anhand von Interviews mit seinen Geschwistern und Verwandten nachzuzeichnen. Ergänzt durch Recherchen in Kirchenbüchern, Landesarchiven und Gemeindeverzeichnissen. So entsteht eine umfassende Geschichte des Hofes seit dem Dreißigjährigen Krieg, detaillierter bis in das 20. Jahrhundert. Der eigentliche Sinn des Buches ist aber nicht eine historische Rückschau, sondern zu zeigen, wie sich bäuerliches Leben vom 19. Jahrhundert bis heute gewandelt hat. Mit den großen Veränderungen in den Sechzigern und Siebzigern des letzten Jahrhunderts. Wie drastisch und rapide sich Landwirtschaft in dieser Zeit an den Markt anpassen musste, und wie seine Familie und er selbst diese Anpassungen bewältigten. Überraschend dabei die mal historische Sicht, dann wieder die Sicht auf die Menschen in dieser Zeit und was aus ihnen unter diesen Bedingungen wurde. Das Buch ist historische Arbeit als auch persönliche Reflektion, die eine beeindruckende und faszinierende Geschichte ergeben. Nicht ohne Grund kassierte Frie mit diesem Buch 2023 den Deutschen Sachbuchpreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Ewald FrieEin Hof und elf Geschwister

Fries Geschwister wurden in der Zeit von 1944 bis 1969 geboren, der hauptsächliche Zeitraum des Buches beginnt in den Fünfzigern und endet mit dem Auszug der jüngsten Tochter 1989. Wie in der Familie sind die beiden wichtigsten Protagonisten Mutter und Vater Frie, von ihrer Herkunft bis zu den Charaktereigenschaften und wie sie mit ihren Kindern umgingen. Wie sie den Hof führten, was den Tag bestimmte und wie so ein Hof in dieser Zeit funktionierte. So unterschiedlich die Zeiten waren, in der die jeweiligen Kinder geboren wurden, so unterschiedlich war das Leben in den Epochen. Vor den Kindern gab es noch Knechte und Mägde, später Eleven (Auszubildende) und Stützen (Hilfskräfte). Dann, mit den größeren Kindern, wurde der Hof ein Familienbetrieb, Arbeit von Sonntag bis Samstag im Stall, auf den Feldern und im Haus waren zuerst selbstverständlich. Erst in den Siebzigern veränderte sich etwas. Nicht nur, dass die Kinder mehr Freiraum bekamen, Schulen besuchten und sich überhaupt vom Hof weg zum Dorf orientierten. Auch die Wirtschaft hatte sich mit dem Aufstieg der Märkte verändert, es waren viele Parameter zu berücksichtigen. Die Landwirtschaft mit Vieh plus Hof plus Garten  war nicht mehr zeitgemäß. Spätestens, als der älteste Sohn den Hof übernahm, waren drastische Umstellungen angesagt. Doch so, wie sich die gesellschaftliche Position der Landwirte veränderte, veränderte sich das Leben insgesamt. Diese Prozesse hat Frie in vielen Details aus den Erinnerungen seiner Geschwister und seinen eigenen sichtbar und nachvollziehbar gemacht.

Eine große Rolle spielen natürlich dabei die Geschwister von Ewald Frie. Ihre jeweiligen Persönlichkeiten, ihre Vorlieben und Abneigungen und wie sich das alles auf das Gesamtsystem Hof auswirkte. Spätestens in den Siebzigern war klar, dass ihre Zukunft nicht mehr in diesem Hof lag, sondern da draußen, in anderen Welten. Nun lebe ich selbst in einem ostwestfälischen Dorf, direkt gegenüber meinen Wohnzimmerfenstern liegt der größte Hof des Ortes. Gehe ich am Abend mit Duna die letzte Runde, komme ich noch an mindestens drei weiteren Höfen vorbei. Auf der anderen Seite quatsche ich ja gerne mit Leuten hier aus dem Dorf, erfahre von aufgelassenen Höfen, Feuersbrünsten und den vielen Geschichten des Dorfes. An dieser Stelle war das Buch sehr aufschlussreich, zu erfahren, wie Landwirtschaft und Familie früher aussahen. Als noch Pferde und Rinder vor den Pflügen standen, als es diese ganz getrennten Welten Land und Stadt gab. Fries Buch über die Veränderungen im bäuerlichen Leben ist faszinierend und bietet eine ganz andere Sicht in die Vergangenheit. Weil sie sich an realen Personen und Geschehnissen entlang arbeitet. Frie lässt eine vergangene Epoche wieder auferstehen. In einem überraschenden Stil: mal historisch, mal persönlich, mal analysierend, mal nur beobachtend. Kein Wunder, dass ich das Buch in einem Tag durch hatte.

Ewald Frie wurde als das neunte von elf Kindern einer katholischen Bauernfamilie im Münsterland geboren. Sein Vater war Rinderzüchter. Er studierte die Fächer Geschichte und Katholische Theologie an der Universität Münster. […] Als Wissenschaftliche Hilfskraft und Wissenschaftlicher Mitarbeiter war Frie in den Jahren 1992 und 1993 am Lehrstuhl von Hans-Ulrich Thamer an der Universität Münster tätig. Von 1993 bis 1995 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. An der Universität Essen war Frie von 1995 bis 2001 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl von Wilfried Loth. […] Fries wissenschaftliche Schwerpunkte sind die Deutsche Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, die vergleichende europäische Adelsgeschichte sowie die Geschichte Australiens. […] Im Jahr 2023 legte er mit «Ein Hof und elf Geschwister. Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben in Deutschland» ein Buch vor, in dem er anhand seiner eigenen Familie den Wandel bäuerlichen Lebens in Deutschland des 20. Jahrhunderts nachzeichnet. Für das Buch erhielt Frie 2023 den Deutschen Sachbuchpreis, der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verliehen wird.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Ewald Frie aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert