Michael Maul: J. S. Bach
Die Geschichte ist aus dem Ruder gelaufen. Begonnen hatte sie mit diesem Buch von der Vorschlagsliste meines örtlichen Buchhändlers. Über Johann Sebastian Bach habe ich schon so Einiges gelesen, Michael Maul gilt jedoch als ausgesprochener Kenner dieses barocken Musikers. Seine Biografie spricht Bände. Kaum begonnen, stieß ich auf den Hinweis zu einer umfangreichen Podcast-Serie im Deutschlandfunk, «Universum JSB». Schon einige Jahre alt, aber Johann Sebastian ist ja schon lange nicht mehr unter uns. Also hörte ich einmal rein. Was zur Folge hatte, dass die 33 halbstündigen Beiträge mich eine ganze Zeit in Anspruch nahmen. Noch schlimmer, am Ende jeder Folge wollte ich die nächste kaum abwarten. So ging die Zeit ins Land, erst danach konnte ich zum Buch zurückkehren. Ich stieß erstmals auf Bach in einer Zeit, als solche Musik für Youngsters absolutes No-Go war. Walter Carlos bzw. Wendy brachte ihn mir nahe, wenn auch auf einem ungewöhnlichen Instrument. So erkannte ich dann, was Leute wie Keith Emerson oder Rick Wakeman als wirkliche musikalische Wurzeln hatten. Wen sie da oft in ihrer Musik zitierten. Im Grunde gehören das Buch sowie die darin verwiesene Spotify-Playlist als auch der Podcast zusammen, liefern ein unglaublich breites wie unterhaltsames Wissen über den großen Musiker des Barock. Ja, ich habe eine Menge Neues erfahren. Das Eine oder Andere sogar erst jetzt verstanden.
Leider kann man die DLF-Beiträge wegen Urheberrechten an den verwendeten Musikstücken nicht herunterladen, dafür auf einer einzelnen Seite ohne viel Weiterklicken durchhören. Auch die Playlist in Spotify ist mit den vollständigen Stücken nur zahlenden Kunden zugänglich. Die unten erwähnten MDR-Podcasts dagegen können offen per Feed bezogen werden. Aber zurück zum Buch. Der wesentliche Unterschied zwischen Podcast und Buch ist der, dass der Podcast sich auf Werk und Biografie Bachs sehr gleichmäßig verteilt. Im Buch dagegen geht es in der Hauptsache um die musikalische Betrachtung der vielen musikalischen Werke, mit Konzentration auf die Zeit Bachs als Thomaskantor in Leipzig. Weimar und Köthen kommen nur ganz kurz am Anfang zur Sprache. So ist das Buch überwiegend eine Werkbesprechung, in historischer Gliederung. Maul wirft dabei wenig mit musiktheoretischen Begriffen um sich, er betrachtet die Kantaten, Choräle, Oratorien und Passionen mehr unter historischen Sichten, zu welchen Gelegenheiten sie entstanden und wie sie entstanden.
Zwar lässt sich Bachs persönliche Geschichte nicht von seiner Musik trennen, doch steht im Buch diese zum überwiegenden Teil im Fokus, nicht direkt der Mensch Johann Sebastian Bach. Obwohl Maul um persönliche Aspekte im Leben Bachs nicht umhin kommt. Es ist somit mehr die Sicht des Musikwissenschaftlers und -historikers Michael Maul. Wer sich demnach speziell für die musikalischen Hinterlassenschaften interessiert, ist mit dem Buch bestens bedient. Denn Maul betet nicht einfach Fakten und Interpretationen herunter, sondern führt absatzweise sogar Zwiegespräche mit dem Meister des Kontrapunktes, lässt die vielen Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten der Bach-Forschung nicht außen vor. Wer eher eine Gesamtsicht haben möchte, bleibt am besten beim Podcast des DLF. Denn viele Abschnitte und Betrachtungen im Buch finden sich im Podcast wieder. Wenn das dann immer noch nicht genug von „JSB“ war, kann man bei MDR Klassik die Podcast-Serie «Die Bach-Kantate mit Maul & Schrammek» abonnieren. Die stand aktuell am 23. Juli 2023 bei Folge 179. Leider auch ohne die gesamten Stücke, aber wenigstens ist die Moderation vollständig. Also zuschlagen.
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