Wolfgang Schroeder et al.: Einfallstor für rechts?
„Die plurale demokratische Zivilgesellschaft ist ein zentrales Element des freiheitlichen Rechtsstaates.“ So beginnt der Klappentext, doch was ist diese Zivilgesellschaft eigentlich? Einfache Antwort: alle Organisationen und Verbände, in denen sich Bürgerinnen und Bürger zum Nutzen der Gesellschaft oder der Umwelt engagieren. Oder Gleichgesinnte treffen oder Passionen pflegen. Die größten acht sind allen bekannt, nämlich Gewerkschaften und Kirchen, Wohlfahrts- und Naturschutzverbände, Fußball- und Schützenvereine, die freiwillige Feuerwehr und kulturelle Institutionen. Wolfgang Schroeder, Samuel Greef, Jennifer Ten Elsen, Lukas Heller und Saara Inkinen haben sich diese acht zentralen Organisationen in der Hinsicht genauer angesehen, wie weit sie durch rechte Tendenzen und Aktionen beeinflusst oder sogar unterwandert werden sollen. Dazu verwendeten sie einen umfangreichen Fragenkatalog sowie Interviews mit Beteiligten, um herauszufinden, welchen Einfluss Rechtsextreme und Rechtspopulisten dort entfalten. Doch nicht nur als Beobachtung, sondern mit der Frage, wie man menschen- und demokratiefeindlichen Bestrebungen entgegenwirkt. Es ist also wieder eine Facharbeit, die auf Kreis- und Balkendiagrame hinausläuft. Beinahe. Wären da nicht einige interessante Ergebnisse, die man so nicht erwarten würde. Wer meint, dass sexistische oder rassistische Sprüche eher im Schützenverein zu hören wären, oder dass Gewerkschaften doch nur politisch links von Interesse wären, liegt falsch. Vor allen Dingen das Resumé am Ende des Buches zeigt klar und deutlich, wie man rechten Einfluss aus Verbänden fern hält.
Insgesamt wurden 1.100 Verbandsmitglieder befragt und 32 Interviews geführt. Die Fragen sind sowohl breit als auch tief angelegt, angefangen beim Vorkommen von sexistischen, rassistischen oder antisemitischen/antiislamischen Aussagen, einmal bei den verbandsinternen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen, dann bei den Mitgliedern. Wie auf solche Fälle reagiert wird, seien es sachliche Auseinandersetzung oder Abmahnung und Kündigungen bei Hauptamtlichen. Weiter mit dem Bestehen auf die Werte der Verbände, oder ob versucht wird, von rechts konkurrierende Verbände aufzubauen oder über Spenden und Zuwendungen Einfluss zu nehmen. Die acht unterschiedlichen Organisationen agieren da sowohl sehr unterschiedlich als auch die Konfrontationen von innen und außen deutlich differieren. Die Resultate der Befragungen und Interviews sind jedoch nicht das, was man landläufig erwarten würde. So halten sich die eher männerbündischen Verbände wie Schützen oder Freiwillige Feuerwehr eher für weniger bedroht, sehen auch in den Reihen ihrer Mitglieder viel weniger rechtspopulistische Tendenzen. Gewerkschaften und Kirchen sehen in den Reihen ihrer Haupt- und Ehrenamtlichen praktisch kein rechtes Gedankengut, werden jedoch viel stärker aufgefordert, sich um Tarifpolitik und Seelenheil zu kümmern und sich aus der Politik herauszuhalten. Nur Umweltverbände und Kulturinstitutionen sind noch recht verschont von rechten Angriffen von außen, da sie historisch eher aus dem linken politischen Spektrum stammen. Ganz verschont bleiben jedoch auch sie nicht.
Die Zusammenfassung und der Vergleich der acht Subsysteme erstaunt ein wenig. Sieht man von den rechtsextremen Fans der Fußballvereine mal ab, sind gerade die Schützen- und Sportvereine viel weniger im Innenverhältnis mit rechten Aktivitäten konfrontiert, werden Demokratie und Pluralismus hochgehalten. Schwerer haben es Gewerkschaften und Kirchen. Einerseits ist ihre Wertebasis einmal politisch, einmal ethisch, sehr klar festgelegt. Andererseits leiden gerade sie unter Mitgliederschwund, haben viel stärker eine integrierende Aufgabe als Kulturschaffende. Doch auch die Wohlfahrtsverbände haben kein leichtes Spiel. Wenn vom rechten Spektrum gefordert wird, sie sollten sich doch mal mehr um Deutsche kümmern als um die Flüchtlinge. Zudem ist die enge Kopplung zwischen den Wohlfahrtsverbänden und dem Staat der AfD ein Dorn im Auge. Da werden kleinste Unstimmigkeiten zum Staatsversagen aufgeblasen. Eine Antwort auf diese Situation bleiben die Autoren nicht schuldig. Deshalb ist das letzte Kapitel ziemlich umfangreich, liefert praktische Hinweise, wie mit Störversuchen und Angriffen von rechts umzugehen ist. Obwohl im Kern eine weitgehend statistische Auswertung der Untersuchung bleibt das Buch praktische und alltägliche Antworten nicht schuldig. Bietet dazu eine oft erhellende Sicht auf Methoden und Ziele rechtspopulistischer Angriffe auf die Zivilgesellschaft.
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