Es gibt Fragen, auf die ich selbst nie kommen würde. Zum Beispiel die, ob die Menschen in den Städten und auf dem Land ihre Kreuzchen auf den Wahlzetteln an verschiedenen Stellen machen und warum. Spoiler alert: Es ist tatsächlich so. Nun wohne ich selbst auf dem Dorf, wenn auch in der Nähe zu einer Mittelstadt mit 130.000 Einwohnern. Aber wie viel Dorf ist mein Dorf eigentlich? Verglichen mit einem Dorf im Wendland, in der Lausitz oder im Bayrischen Wald ist unser Dorf recht bunt und gut ausgestattet. Ostwestfalen gehört sicher nicht zu den abgehängten Regionen, hier regiert vor allen Dingen die mittelständische Industrie. Vor meiner Haustür liegt Glasfaser, die drei Buslinien nach Paderborn, Büren und Salzkotten fahren im Stundentakt. Doch die landläufige Vorstellung von Land und Dorf ist anders. Und Dorf und Stadt sind unterschiedlich, in ihrem ökonomischen, kulturellen und politischen Selbstverständnis. Das war in den ersten drei Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg anders. Die Wahlergebnisse von CDU/CSU und SPD waren in Städten und Dörfern ähnlich hoch, beide Parteien waren noch Volksparteien. Inzwischen kränkelt selbst die CSU in den ländlichen Gebieten. In Sachsen eine ähnliche Entwicklung. Es gab aber vor den Achtzigern auch keine Grünen und keine AfD. Aber nicht nur das hat sich verändert. Auf dem Land gibt es kaum noch akzeptable Jobs, kaum noch Einkaufsmöglichkeiten. Die Städte, die urbanen Zentren, gelten deshalb als hip und anziehend. Die Gründe liegen nicht nur, aber zum Hauptteil in der Veränderung unserer Ökonomie und gesellschaftlichen Struktur. Wissensarbeiter und Kreative sind die neuen Helden, sie zieht es in die Städte, nicht aufs Land. Produziert wird nun in Asien oder Billiglohnländern. So verändert sich die Balance zwischen den beiden Polen, mit weitreichenden sozialen und politischen Auswirkungen.