Annette & Hauke Goos: Warum hängt daran dein Herz?
Der zweite Weltkrieg ist längst vorbei, seine Spuren und die Dinge, die in dieser Zeit eine Rolle spielten, sind noch da. Dinge wie ein Kleiderbügel, den die Mutter auf der Flucht dabei hatte, ein Trinkbecher, der das Sterben im Krieg verhinderte, oder eine Trillerpfeife und eine Trainingshose, die dem Vater gehörten, der aus dem Krieg nicht zurückkam. Aber auch der Ledermantel eines Nationalsozialisten, der heute als Bekleidung einer Vogelscheuche im Garten dient. Mit ihnen verbindet sich die Erinnerung an Zeiten voller Angst und Leid, für die die Menschen, die sie oft noch als Kind miterlebt haben, zuweilen keine Sprache finden. Es ist nicht nur die Sprachlosigkeit der Kriegskinder, sondern oft auch noch die der Kriegsenkel. Annette und Hauke Goos stellen 36 solcher Erinnerungsstücke vor und lassen ihre Besitzerinnen und Besitzer, darunter Prominente wie die Politiker Björn Engholm und Gerhard Baum, die Schauspielerin Marie-Luise Marjan oder den Autor Paul Maar, von den Dingen erzählen. Zurück geht die Idee für das Buch auf einen Artikel im SPIEGEL in 2019. Herausgekommen ist ein berührendes Buch zu einer Zeit, die weit zurück liegt, aber noch nicht vergangen ist.
Es ist nicht zu vermeiden, dass es in diesem Buch um Traumata, Verwundungen und Verluste geht. Doch die Verletzungen sind keineswegs nur eine Geschichte derer, die sie an eigenem Leib erfahren mussten. Daraus entsteht auf der einen Seite die Sprachlosigkeit der Eltern, auf der anderen Seite die der Kinder, die nicht zu fragen wagen. Erst mit der Generation der Kriegsurenkel, so zu sagen, öffnen sich wieder Familiengeschichten. Die von Annette und Hauke Goos herausgegebenen Gesprächsprotokolle geben Zeugnis davon, welche seelischen Verwüstungen Krieg selbst in der Kinder- und Enkelgeneration hinterlässt. Und sie zeigen, wie die Gegenstände uns helfen können, unsere Eltern besser zu verstehen. Doch das Buch zeigt noch mehr. Nämlich wie unterschiedlich der Krieg und die Zeit danach erlebt wurden. Gerade bei den aus den Ostgebieten vertriebenen Familien folgten Jahre in Baracken als Wohnung, mit Hunger und in der Kälte extremer Winter, unter Verachtung und Ausgrenzung leidend. Doch auch andere Geschichten werden erzählt, in denen Kinder trotz Krieg und Mangel eher behütet aufwuchsen. So, wie es nicht die eine Wahrheit gibt, gibt es nicht die eine Geschichte aus dem Krieg. Mit den einfühlsamen Bildern der Gegenstände des Fotografen Dmitrij Leltschuk werden die Geschichten und die Dinge greifbar.
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