Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich
Was haben Wladimir Putin, Donald Trump und die AfD gemeinsam? Sie phantasieren eine Vergangenheit herbei, die es nicht gegeben hat. Weder waren die 50er und 60er Jahre in der BRD eine Insel der Glückseligkeit, noch hatten in den USA alle Leute Arbeit und Vermögen, und die Sowjetunion war kein Hort des Friedens und der Gleichheit. Aber die Absicht ist klar, die Vergangenheit umzudeuten, Begriffe und Erinnerungen umzudefinieren. Da wird gelogen und getrickst, umgedeutet und erfunden. Die NSDAP mutiert da plötzlich zur linken Partei, weil in ihrem Namen ja „sozialistisch“ und „Arbeiter“ vorkommen. Putin bastelt einen Frankenstein aus Sowjetunion und Zarenreich zusammen, das seinem Bild seines Russlands entspricht und seine wirren Aktionen rechtfertigen. Rechte Führungskräfte, die erst deutlich nach 1990 nach Thüringen und Sachsen kamen, gerieren sich als die Ostversteher an sich. So wird dann sogar aus der durchmilitarisierten DDR ein Land, in dem Mitmenschlichkeit und Empathie herrschten. So haben Rechte und Rechtsextreme in den letzten Jahren Narrative entwickelt, die ganz besonders in den ostdeutschen Ländern greifen. Ostalgie als Methode der Neonazis und Identitären. Mit der Parole „Simson statt Lastenrad“ kann man mit der verunstalteten DDR sogar noch dem politischen Gegner eins rein geben.
Von je her waren historische Diskurse und Forschungen ein Problem für Rechte in Deutschland. Ebenso für den Herrn Putin. Es hat etwas gedauert, doch es fand sich eine Methode: Man deutet die Vergangenheit einfach um. Als Beispiel im Thema DDR versus BRD. Zwar seien die Menschen in der DDR von Partei und Stasi drangsaliert worden, doch sei allen immer klar gewesen, wie die Verhältnisse waren, einschließlich der Besatzung durch die Sowjetunion. Dafür wurde, so die Mär, innerhalb der einfachen Leute Solidarität und Mitgefühl geübt. Die Leute im Westen dagegen wurden vom American Way Of Life durch und durch umerzogen. Im Osten also ein pflegliches Miteinander gegen die Stasi, im Westen herrschten Dekadenz und Wohlstandsverwahrlosung. Ebenso die neue Sicht auf den Nationalsozialismus, von dem man sich abgrenzt, indem die NSDAP in die linke Ecke gestellt wird. Wie im angeblichen Zitat von Josef Goebbels, man sei die deutsche Linke. Leider ist die zitierte Wiedergabe der Rede in einer Zeitung zweifelhaft, weil die zitierte Ausgabe des Blattes nie erschienen sein kann. Dieses Verfahren, Geschichte durch den Wolf zu drehen und so eine ganz neue Argumentation zu liefern, kennzeichnet viele Parteien und Kräfte, im heutigen Russland wie in den neuen Bundesländern, ganz besonders bei AfD und BSW.
Das Buch analysiert im Schwerpunkt die heutige Parteiführung in Russland und das Agieren und Infiltrieren in Deutschland durch AfD und Umfeld. Dabei nimmt Russland die erste Hälfte des Buches ein, gefolgt von einem Abschnitt über die Entwicklungen in der Ukraine nach 1991. Denn auch dort hatten und haben nationalistische Einflüsse eine Rolle gespielt. Zuletzt die Erscheinungen im rechtsextremen und identitären Umfeld in Deutschland. Dabei ist eine Stärke des Buches zugleich seine Schwäche. Weiß verfügt über eine breite und detaillierte Sicht auf historische Entwicklungen wie auch beteiligten Personen. Als nicht entsprechend vorgebildete Leserin und profunder Leser fällt es oft schwer, den Einzelheiten zu folgen, die Übersicht über politische Wege zu behalten. Was die Lesbarkeit erheblich einschränkt. Man verliert öfter den Faden. Andererseits bekommt man Einsichten in die Historie, sei es in Russland oder in der Ukraine, die nicht in Medien zu finden sind. Anders gesagt, wird einem schnell klar, wie wenig man eigentlich über Russland und die Ukraine weiß. Geht man mit der dementsprechenden Vorsicht an das Buch, ist gerade der Teil über die Umwidmungen der DDR durch Rechtsextreme ausgesprochen wertvoll. Diese Methoden zu durchschauen.


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