micscreen

micscreen

Normalerweise habe ich in Niedersachsen mein Kellerstudio, perfekt gedämmt, den PC am anderen Ende des Raumes mit Absorbern akustisch abgetrennt, nur Monitor und Maus auf dem Aufnahmetisch. Gelegentlich möchte ich gerne auch in meiner Behausung in Ostwestfalen kurze Texte einsprechen, manchmal nur wenige Minuten lang. Doch selbst das Schlafzimmer mit Bett und Wandbehang ist zu hallig, wenn auch ruhig. Was tun? In solchen Fällen kann ein Micscreen wie von Thomann helfen.  Hier fängt das Angebot bei knapp unter 50 Euros an, nach oben hin fast offen. Für mich wesentlicher war, dass ich bei nur gelegentlicher Nutzung den Micscreen auch verstauen muss. Und jedes Mal erst in den Keller zu laufen, macht die Sache nicht einfacher. Das muss doch anders, billiger und einfacher gehen. Tut es auch.

Man nehme:

  • Zwei Platten Dämmschaumstoff, billig und mit viel Auswahl beim Pyramidenkönig; Pyramiden dämpfen besser, Noppen sind flacher; ich habe 7 cm-Pyramiden genommen.
  • Zwei Hartschaumplatten 50 x 50 cm aus dem Baumarkt, alternativ auch Sperrholz (schwerer, aber stabiler). Weißer Hartschaum und weißer Schaumstoff sehen besser aus. Sonst das Sperrholz mit Spühfarbe bearbeiten.
  • Zwei kleine Möbelscharniere.
  • Klebstoff, klassisches Pattex für Platten und Scharniere,  oder Sekundenkleber bzw. alternativ Senkkopfschrauben und Muttern für die Scharniere.

Die beiden Platten mit den Scharnieren verbinden, dabei bei den Scharnieren darauf achten, dass die Platten nach hinten ganz zusammen geklappt werden können. Den Schaumstoff auf der Vorderseite der Platten aufkleben, an der Verbindungsseite etwas Abstand lassen. Geht, weil die Schaumstoffplatten nicht ganz 50 cm lang sind. Fertig. Materialaufwand unter 15 Euros, Arbeitszeit eine Viertelstunde. Leicht angewinkelt stehen die Platten auf jedem Tisch. Unbenutzt verschwindet der Billig-Micscreen unter dem Bett oder im Schrank. Zwar kann man mit solchen Mitteln kein Badezimmer in eine Sprecherkabine verwandeln, aber für den Aufwand sind die Ergebnisse ganz brauchbar. Man bekommt den eigentlichen Hall nicht heraus, jedoch werden die hohen Frequenzanteile im Hall reduziert. Vielleicht ordere ich doch mal einen größeren Schirm bei Thomann und vergleiche die Ergebnisse.

Schlafzimmerstudio – ohne Micscreen

Schlafzimmerstudio – mit Micscreen

Warum kurz, wenn es auch lang geht

Die sichere Methode des kompletten Vorschreibens eines Textes hat den Vorteil, dass man sich während des Sprechens nicht ganz so leicht verheddert kann. Unter dem Strich gibt es aber eine ganze Reihe von Nachteilen:

  • Der Text kommt durch Redigieren und Überarbeiten sehr auf den Punkt, wird sehr kompakt. Bei Nachrichten ist das gut, bei Moderationen wird der Text dicht und steif.
  • Gerade durch die Dichte steht die Schriftsprache im Vordergrund, nach freiem Sprechen klingt es nur bei absoluten Profis.
  • Bei einem vorgeschriebenen Text neigt man dazu, immer noch einmal zu überarbeiten, wieder zu kontrollieren und zu verändern. Kontrollfreaks sind länger beschäftigt als notwendig.
  • Last, but not least: Vorschreiben kostet viel, viel Zeit.

Bei mir war es so, dass ich für eine Sendung über zwei Stunden mit einem Textanteil von ca. 20 Minuten auf 12 bis 14 Seiten Vorgeschriebenem kam. Zusammen mit Recherche, Schreiben und Musikauswahl kosteten zwei Stunden Sendung schon mal locker vier bis fünf Stunden Arbeit. Für eine Musiksendung eindeutig zu viel. Da muss etwas Neues her. Und zwar sowohl in der Recherche als auch in der Textarbeit.

Recherche vereinfachen

Zwei wesentliche Textarten sind einmal der lineare Strang, wie die Geschichte einer Band oder einer Musik, daneben ein Geflecht von Informationen und Fragen. Beispiele für den letzten Typ sind Vorbereitung von Interviews, Features und alles, was vielschichtig ist. Gerade in der Vorbereitung von Themensendungen tut man sich am Anfang schwer, die Fäden zu finden, zusammmen zu knüpfen und die verschiedenen Aspekte unter einen Hut zu bringen.

Lineare Moderation

In diesen Fällen ist das konventionelle Arbeiten immer noch hilfreich. Material sammeln und ausdrucken, mit Marker wichtige Aussagen und Details heraus ziehen, danach verdichten und strukturieren. Eben die ganz klassische Methode.

Komplexe Moderation

Gerade für die Fälle, in denen man erst mal in ein Gerüst kommen muss, das Thema durchdringen will, bietet sich Mind Mapping an. Das zentrale Thema steht im Mittelpunkt, von dort arrangieren sich Aspekte oder Fragen in eigentlich beliebiger Detailtreue herum. Dadurch, dass diese Struktur grafisch ist und sichtbar, fällt die Gliederung deutlich leichter. Und es gibt sogar ein kostenloses Tool, mit dem man dieses Mind Mapping am PC machen kann: XMind. Die Idee dahinter ist, dass man das Thema nach unterschiedlichen Aspekte sortiert und nach und nach in immer mehr Details abtauchen kann. Dadurch können auch unterschiedliche Sichtweisen und Richtungen zusammengesetzt und verbunden werden. Mind Mapping ist ideal für die Brainstorming-Phase, in der alle Informationen zusammen getragen werden. Oder für die die Vorbereitung eines Interviews. Im letzteren Fall bekommt man eine gute Übersicht und eine Fragenliste für die verschiedenen Richtungen, in die das Interview laufen kann.

Bienen-Map

Bienen-Map

Vom Material zum Skript

Anstatt nun aber aus dem Material ein komplettes Skript zu schreiben, bin ich dann zum Stichwortzettel übergegangen.

Stichwort-Sammlung

Stichwort-Sammlung

Es werden nur noch die Daten und Fakten geschrieben statt des kompletten Textes. Das Format ist weitgehend das gleiche wie beim kompletten Text, ähnliche Schriftgrößen und ausreichend Platz für spätere Ergänzungen oder Korrekturen. Für das Layout gelten wenige Regeln:

  • Anmod und Abmod werden vollständig ausformuliert.
  • Ebenso vollständig notiert, weil es meistens nur ein Satz ist, sind Überleitungen, Ankündigungen oder Einführungen, die einfach sitzen müssen.
  • Spezielle Formulierungen, Namen und schlecht zu merkende Begriffe gehören ebenso hinein.
  • Gleichverteilte Tabulatoren setzen, z. B. alle 2,5 Zentimeter.
  • Themenblöcke bilden, Details rücken nach dem Hauptthema jeweils um einen Tabulator ein. Auf diese Weise kann man die Detailtiefe nach unten hin erarbeiten und gegebenenfalls einfach kürzen, wenn die Zeit knapp wird.
  • Genauso ist es möglich, noch mehr Details im Vorrat zu  haben, wenn man wegen auftauchender Widrigkeiten länger reden muss als geplant.

Den eigentlichen Text spricht man nun frei und orientiert sich an der Gliederung in der Stichwortsammlung. Nun kommt man automatisch in Sprechsprache statt Schreibsprache. Eine Hürde möchte ich aber nicht verheimlichen. Es wird wahrscheinlich kaum beim ersten Anlauf klappen, man verheddert sich, sucht nach Worten oder Formulierungen, der Druck ist ein Stück höher als beim reinen Ablesen.

Es hilft, die Sammlung in wenigen Sekunden direkt vor dem Einsprechen kurz zu überfliegen und sich einen Faden zusammen zu bauen. Ebenso hilft es dem Gedächstnis, wenn man sich an Formulierungen festhält und sie bildhaft parat hat. Unser Gehirn orientiert sich am besten an Bildern, was bildhaft vor Augen steht, bleibt am besten haften. Es erfordert am Anfang etwas Übung, nur mit einem Stichwortzettel zu arbeiten. Die Investition lohnt sich aber, denn eine Stichwort-Sammlung zu erstellen kostet höchstens ein Viertel der Zeit eines kompletten Skriptes. Und es klingt von selbst frei gesprochen und lebendiger als ein Vorschrieb.

Miteinander reden

Miteinander reden

Von den vielen Büchern, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, waren diese für mich die am meisten an der Praxis und am realen Leben orientiert. Friedemann Schulz von Thun gilt als der Spezialist für Kommunikation. Seine Modelle und Verfahren sind heute zentraler Teil von Kommunikations- und Trainer-Ausbildungen. Auch wenn der Titel der drei Bände eher nach Ratgeberliteratur klingt, gerade das ist „Miteinander reden“ nicht. Sondern wissenschaftliche, analytische Betrachtung von Kommunikation. Und damit eigentlich Pflichtlektüre für jeden, der irgendwie mit Kommunikation zu tun hat. Ob Trainer, Journalist, Moderator oder sogar technischer Redakteur.

Der erste Band stellt Modelle für Kommunikation im Allgemeinen auf, das Vier-Ohren-Modell ist wahrscheinlich das bekannteste. Es zeigt ebenso mögliche Störungen und erklärt, wie zwischenmenschliche Kommunikation abläuft, typische Probleme und woraus sie entstehen. Wenn der Autor auf Lösungen eingeht, orientiert er sich an der Wirklichkeit und nutzt konkrete Beispiele.

Der zweite Band stellt die unterschiedlichen Kommunikationsstile vor, die Menschen haben. Wie gehen wir damit jeweils am besten um? Und wie können wir das Wissen um unseren eigenen Kommunikationsstil für unsere Persönlichkeitsentwicklung nutzen? Die vorgestellten Stile werden nicht nur dargestellt, sondern auch die mögliche Entwicklung, die dazu geführt hat. Hier geht es mehr um Archetypen als um den Anspruch auf Vollständigkeit.

Im dritten Band geht Schulz von Thun auf das Modell des inneren Teams ein. Dahinter steht, dass wir innerlich nicht selten verschiedene Stimmen, Meinungen und Ratschläge hören. Dabei geht es nicht nur um die innere Vielfältigkeit, sondern auch um das Zulassen dessen, was wir oft als unerwünschte Vielfältigkeit erleben. Und auch um die Mitglieder des inneren Teams, die hinter die Bühne verbannt wurden, oder sogar unter die Bühne.

Was die drei Bücher von vielen anderen unterscheidet, ist die durchgängige Praxisbezogenheit und der Abstand zu Universallösungen. Die Beispiele für Störungen oder Unklarheiten stammen häufig aus dem Leben von Schulz von Thun selbst, man könnte sie so oder so ähnlich schon erlebt haben. Auch vor eigenen Begegnung mit Fettnäpfchen hat er keine Scheu. Was die Bücher vom Sockel der hochwissenschaftlichen Betrachtung herunter holt und sympathisch macht.

Diese Kommunikationsmodelle machen in der Tat Kommunikation transparenter, sind in die Praxis übertragbar und liefern viel Wiedererkennungswert mit Alltagssituationen. Darum würde ich die Bücher jedem empfehlen, der sich für die Abläufe und Wechselwirkungen von Kommunikation interessiert, und für jeden, der irgendwie mit Kommunikation zu tun hat. Ob vor der Klasse, im Radio oder als Redakteur.

Steinberg UR22

Steinberg UR22

Man hat nicht oft die Gelegenheit, zwei vergleichbare Produkte im echten AB-Test unter die Lupe nehmen zu können. Manchmal aber doch, denn nach einem USB-Audiointerface von Focusrite habe ich mir noch eins von Steinberg zugelegt, weil ich keine Lust zum ständigen Umbauen hatte. Ich hätte auch gleich ein zweites Focusrite nehmen können, doch die Neugier war zu groß. Einfach kann jeder. Um es vorweg zu nehmen, steht das Steinberg im Keller in der Aufnahme, das Focusrite oben im Arbeitszimmer an der Abmischstation. Weil sich eben heraus stellte, dass die Produkte zwar funktional sehr ähnlich sind, aber doch ihre Stärken und Schwächen haben. Nein, Schwächen haben beide nicht. Nur die Stärken sind unterschiedlich.

Im Focusrite werkelt eigene Hardware von Focusrite. Im Steinberg ist Yamaha-Hardware verbaut, was man spätestens bei der Treiberinstallation sieht. Beide Treiber laufen ohne Probleme, die angeblich instabilen Treiber von Steinberg sind mir nicht untergekommen. Nach der Installation jeweils von CD liefen die Interfaces ohne Murren. Nur auf der Focusrite-CD war ein alter Treiber, doch auf der Website gibt es neue Versionen.

Scarlett 2i2 USB

Scarlett 2i2 USB

Technische Details spare ich mir, die finden sich für Focusrite und Steinberg zuhauf im Netz. Gemeinsam sind UR22 und 2i2 zwei symmetrische Eingänge für Mikrofone oder Line-Signale über eine Kombibuchse, ein 6,3 mm-Kopfhörerausgang und zwei symmetrische Ausgänge für Monitore über 6,3 mm-Klinke. Nur das UR22 hat noch zusätzlich ein MIDI-Interface und für einen der Eingangskanöle einen Hi-Z-Eingang für E-Instrumente. Allerdings mit Grenzen, denn der Eingangswiderstand ist mit 500 kOhm nicht wirklich hochohmig. Für mich irrelevant, denn ich produziere nur Sprache. Wird nur ein Eingang genutzt, wird mono auf beide Stereokanäle geroutet. Nutzt man beide Eingänge, wird konventionell auf die beiden Stereo-Kanäle geroutet. Monitor und Kopfhörer sind beim 2i2 getrennt regelbar. Beim UR22 gibt es einen Blend-Regler, dazu gleich mehr.

Kleiner Tipp am Rande. Hat man noch einen Behringer-USB-Treiber für deren Mischpulte installiert, ist in der Aufnahme auf dem PC ein unregelmäßiges Ticken zu hören. Bei beiden Interfaces, 2i2 wie UR22. Ist also Schuld des Behringer-Treibers. Hat mich etwas Suchen gekostet, weil ich erst WLAN oder ACPI im Verdacht hatte. Behringer-Treiber deinstalliert und es ist Ruhe.

Bedienung

Der große Regler für den Monitorausgang ist beim 2i2 als Audioausgang hilfreich, man kann schnell mal den Pegel herunter drehen. Dafür ist der Regler für den Kopfhörer etwas klein geraten. Für die Wiedergabe hat das 2i2 damit einen Vorteil. Dafür ist die Frontplatte des UR22 insgesamt aufgeräumter, aber wieder nicht so markant zu bedienen. Auch die Aussteuerung der Eingänge fällt beim 2i2 durch die dreistufige Anzeige rund um den Pegelsteller (grün/gelb/rot) leichter, das UR22 hat nur eine einzelne rote LED für die Übersteuerung. Steinberg hat sich für das Routing eine Art Balanceregler ausgedacht, der zwischen Eingang und PC, als DAW bezeichnet, überblendet. Nette Idee, in der Praxis aber wenig hilfreich. Das 2i2 hat für das Routing einen Schalter, ob man den Input auf dem Monitor haben will. Man sieht hier schneller, warum man hier oder dort nichts hört. Ansonsten haben beide Interfaces ein schweres Metallgehäuse mit Gummifüßen, da rutscht nichts und die beiden stehen satt und fest auf dem Tisch. Alle Buchen schön fest verschraubt, beim UR22 prangt ein dickes Neutrik auf den Kombibuchsen, die beim 2i2 funktionieren genau so gut. Der Kopfhörerregler beim 2i2 könnte etwas stabiler sein. Wirklich wackelig ist er nicht.

Im Punkt Bedienung würde ich dem 2i2 wegen des großen Monitor-Reglers, der intuitiveren Benutzung und der besseren Aussteuerungsanzeige den Vorzug geben. Ganz knapp.

Aufnahme

Bei beiden Geräten werden die Vorverstärker generell gelobt. In der Tat arbeiten auch beide für 139 Euro Preis ausgesprochen rauscharm. Bei dynamischen Mikros kommen beide an Grenzen und liefern den relativ größten Rauschpegel. Bei Kondensator-Mikros dagegen bleibt es sehr still, mit einem Rode NT1A und selbst dem billigen Thomann-Stäbchen ist keinerlei Rauschen zu hören. Mit dynamischen Mikros löst mein FetHead das Problem, das Rauschen ist dann absolut akzeptabel, nicht einmal das Gating-Plugin spricht an. Und wir sind hier auf der kompletten Preamp-Seite immer noch bei unter 200 Euro, nicht bei 2000.

Bei den Vorverstärkern liegen UR22 und 2i2 gleichauf. Das Rauschen des 2i2 klingt etwas dunkler als beim UR22, was manchmal weniger aufdringlich sein kann. Wirklich hörbar wird es nur mit dynmischen Mikros, und bei Sprachaufnahmen mit niedrigen Pegeln und deutlichen Pausen. Die Aufnahmen sind detailliert, luftig und klingen frei. Selbst die feinsten Details eines Großmembraners sind genaustens mitgenommen. Das geht in diesem Preisbereich kaum besser. Ein Patt.

Wiedergabe

Tatsächlich ist da ein Unterschied zwischen 2i2 und UR22. Das UR22 klingt sehr analytisch, mit ausgesprochen kristallinen Höhen. Zeichnet dadurch auch jedes noch so kleine Detail zwischen die Monitore. Das 2i2 klingt dagegen weicher und musikalischer, zeichnet auch sehr detailliert, aber nicht mit dieser etwas aufdringlichen Präsenz. Bei Sprache treten die Unterschiede nicht so deutlich hervor wie bei Musik. Bei längerem Hören von Musik jedoch fand ich das UR22 anstrengend.

Gemeinsam ist den beiden wieder die absolute Abwesenheit von Rauschen (Monitoring war direkt über eine Alesis-Endstufe und KRK R6-Monitore). Über Kopfhörer war dieser Klangunterschied nicht ganz so deutlich, aber immer noch wahrnehmbar (AKG K240 Studio). Noch ein Wermutstropfen am Rande: der Ausgangspegel des 2i2 für den Kopfhörer könnte ein Schüppchen mehr Pegel gebrauchen. Für mich reicht es, wer Live-Aufnahmen in der Kneipe aufzeichnet, kann für das 2i2 einen zusätzlichen KH-Verstärker gut gebrauchen. Da ich mehr Cmoy47-Verstärker als notwendig habe, kein Thema.

Fazit

Für unter 150 Euro sehr gute Preamps, vergleichbare Funktionalität, viel Metall und das 2i2 in der Bedienung einen Tucken angenehmer bei der Abhöre. Trotzdem war das UR22 kein Fehlkauf, beide Interfaces leisten für diesen Preis erstaunliche Dinge. Der Test hat für eine praktische und gute Arbeitsteilung gesorgt. Das UR22 kommt beim Einsprechen zum Einsatz, weil die Aufnahmen beider Interfaces kaum zu unterscheiden sind. Das 2i2 ist für das Produzieren zuständig, weil es weniger angestrengt und ausgeglichener klingt. Und weil man den großen Monitor-Regler schneller im Zugriff hat. Das UR22 wurde einmal im Studio eingepegelt, danach wird es nicht mehr angefasst und die weniger klare Bedienstruktur stört nicht mehr.

Alle kritisierten Punkte sind Meckern auf hohem Niveau. Beide USB-Interfaces arbeiten klaglos und für diese Preiszone mit erstaunlich guten Ergebnissen. Ich frage mich nur, wo die Entwicklung der Technik noch hin geht. In ein paar Jahren bekommt man wohl Audiointerfaces von heute zu 2000 Euro für 100.

 

Beim Hörer ankommen

Einer der größten Fehler, die ich am Anfang gemacht habe: mit der Tür ins Haus zu fallen. Direkt in medias res, sofort die volle Breitseite. Erst Stefan Wachtel hat mir mit seinen Büchern bessere Methoden an die Hand gegeben. Neben der Wortwahl, dem Sprachstil und den Formulierungen spielt auch die Struktur von Beiträgen eine wesentliche Rolle. Was mir am Anfang nicht wirklich bewusst war.

Einleiten, Abholen, Wecken

Stellen wir uns eine reale Situation vor. Der Hörer und die Hörerin (ich verwende am jetzt den Begriff Hörer für beide Geschlechter) sitzen beim Abendessen, spülen das Geschirr oder machen gerade sonst etwas. Nun kommt unser Beitrag im Radio. Es wäre zuviel verlangt, dass sofort alle Aufmerksamkeit uns gehört, unserem Beitrag, unserer „Message“. Wir müssen die beiden erst einmal abholen, müssen sie gedanklich an den Lautsprecher holen, Interesse wecken. Die Nachrichten haben es da besser, sie wollen gehört werden, ihnen gilt – in der Regel – eh das volle Interesse. Uns nicht.

Daher Wachtels Regel Nummer Eins: situieren, situieren, situieren. Wir müssen dem Hörer klar machen, dass hier etwas für ihn Interessantes kommt. Und sei es nur etwas Unterhaltendes. Dazu gehört das Situieren, das Einleiten in den Beitrag. Das kann eine Anekdote sein, eine Geschichte oder etwas Verwandtes aus dem Alltag. Der Kniff dabei ist, möglichst viele Menschen anzusprechen, Spezialisierungen sind nicht hilfreich. Mit dieser Einleitung fangen wir den Hörer ein.

Beispiel: das Historische Ereignis in der Zeitzone des Ohrfunks.

Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich Punkte in Flensburg? (Pause) Und wie viele? (Pause) Na, das geht ja noch. Punkte in Flensburg, den Begriff kennt wohl jeder Autofahrer. Heute nämlich, am so-und-so-vielten wurde im Kraftfahrtbundesamt in Flensburg das Allgemeine Verkehrregister eingerichtet …

Persönlich werden, persönlich bleiben

Von Sendungen abgesehen, in denen es um Fakten geht, interessiert den Hörer nicht, was er eh schon weiß. Wenn ich über die Beatles spreche, brauche ich dem Hörer nicht zu erzählen, dass sie aus Liverpool kamen. Oder dass John Lennon der Bandgründer war, weil das mein Hörer wohl eh weiß. Eher sollte ich die Beatles aus meiner Sicht schildern, meine Erinnerungen, meine Positionen. Natürlich soll den Hörer das Thema interessieren, aber es sucht neue Aspekte, neue Sichten. Und die kann ich nur aus meiner eigenen Sicht angehen. Es sei denn, es sind Informationen, die wahrscheinlich eher unbekannt sind. Aber der wichtige Punkt ist, dass es meine Sicht, meine Perspektive ist. Und nicht die, die er auch in Wikipedia nachlesen kann.

Die Grenzen des Radios

Im Vergleich zu Fernsehen und Internet unterliegt das Radio einer großen Beschränkung. Wir können nur Töne übermitteln. Was bedeutet, dass wir Bilder nur in den Köpfen unserer Hörer realisieren können, indem wir sie rufen. Was man ausgiebig tun sollte, denn nur Bilder können Stimmungen und Situationen transportieren. Das kann sein, dass wir in der Anmoderation das Wetter draußen, die Atmosphäre im Studio oder die Fahrt zum Sender schildert. Oder dass man eben betont bildhafte Sprache einsetzt. Nicht allein abstrakte Begriffe und Fakten, sondern Bilder. Bilder erhöhen nicht nur die Verständlichkeit und vermitteln Atmosphären, sie machen Texte leichter fassbar. Statt 50%: jeder Zweite. Statt 120.000 Menschen: eine ganze Kleinstadt wie Paderborn. Statt 400 Milliarden Euro: fast soviel wie der Bundeshaushalt.

Struktur wahren

Jeder Beitrag braucht eine Struktur, der der Hörer folgen kann. Der Begriff des narrativen Stils trifft diese Forderung sehr gut, es geht nicht um das Aufzählen von Fakten, Daten und Ereignissen, die Elemente müssen an einem Zeit- oder Themenstrahl ausgerichtet sein. Nichts ist schlimmer, als zwischen den Punkten der Geschichte hin und her zu springen. Der Hörer wird dem nur schwerlich folgen können. Das kann man am besten in einer Grafik darstellen, zum Beispiel anhand eines Beitrages über den Finanzminister, die Steuern und den Bürgern.

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Der Themenfluss des Beitrages sollte so linear wie möglich sein, damit der Hörer dem Verlauf folgen kann. Der linke Verlauf tut das eher weniger, er springt zwischen den Fokuspunkten hin und her, was den Hörer verwirrt. Der rechte Verlauf ist besser in der Lage, einen logischen und verfolgbaren Verlauf zu erzeugen. Die Geschichte mag dem Redakteur klipp und klar sein, der Hörer hat diesen Hintergrund nicht, er hat sich nicht mit den Inhalten so beschäftigt.

Narrativ bedeutet auch, dass der Beitrag in sich schlüssig ist, in den Fakten wie in den zeitlichen Zusammenhängen. Ständig zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu wechseln, mag interessant aussehen, verständlich ist es nicht.

Ein weiterer Stolperstein ist der, dass man nicht alles Vorwissen beim Hörer voraus setzen kann. Sei es Politik, Wissenschaft oder Fremdwörter und Fachbegriffe.  Häufungen von fremden Wörtern veranlassen den Hörer zum Abschalten. Manchmal reicht schon ein einziger Begriff.

Struktur des Beitrages ist ebenso wichtig wie Sprache und Formulierungen. Optimal wird es, wenn man das Thema in eine Geschichte verpacken kann, die mit den berühmten „anregenden Zusätzen“ versehen ist. Das, was den Beitrag interessant und für den Hörer lebensnah macht.

Den Hörer nicht allein zurück lassen

Genau so wichtig wie eine Situierung ist der Abschluss. Die ideale Form ist, im Abspann wieder den Faden des Anfangs aufzunehmen, sei es mit einem Fazit, mit einer Erkenntnis oder einem Witz. Die meiste Aufmerksamkeit beim Beitrag gilt dem Ende, dem Beginn und erst danach dem Inneren der Geschichte. Mit der Situierung hole ich den Hörer hinein, mit dem Abspann lasse ich ihn wieder los und teile ihm das auch mit. Es ist nicht günstig, wie bei den Hard News den harten Strich zu ziehen, Ende der Nachricht, die nächste bitte.

Stattdessen den Beitrag abschließen, ihn abrunden und dabei etwas zurück lassen, an das sich der Hörer vielleicht als Erstes erinnern wird, wenn er sich den Beitrag wieder ins Gedächtnis ruft. Situierung und Abschluss klammern die ganze Geschichte. So wie „Es war einmal …“ und „… lebten sie glücklich für den Rest ihres Lebens.“ ein Märchen klammert. Diese Struktur der Märchen ist nicht zufällig, sie hilft dem Hörer in der Orientierung und er weiß, dass der Beitrag nun zu Ende ist.

Im Grunde sind es wenige und einfache Regeln und Leitlinien, die einen Beitrag verträglich und griffig machen. Wer in das Thema Struktur und Ablauf im Radio noch tiefer einsteigen möchte, kann ich die Bücher von Stefan Wachtel nur wärmstens ans Herz legen.

Vorbereitung ist alles: Text-Layout

Sende-Skript

Sende-Skript

In der Tat ist es bei längeren und komplexen Themen und Texten sinnvoll, den Beitrag vorzuschreiben. Sinnvoll ist es nicht, ihn so zu schreiben wie sonstigen Text, also schön und optisch ansprechend, und mit optimalem Schrifteindruck. Denn das Ziel bei diesem Text ist es, den Text möglichst fehlerfrei und fließend lesen zu können. Der Text soll das Sprechen unterstützen. Dafür gibt es ein paar Stellschrauben, die werden in Büchern auch genannt. An einigen Stellen bin ich erst durch einen einzelnen  amerikanischen Kollegen zurecht gekommen.  Das Ganze in Listenform.

  • Seitenformat A4 ist gut, aber mit deutlichen Seitenrändern, z. B. drei Zentimetern. Der Weg der Augen wird dadurch kürzer gehalten und der Zeilensprung fällt leichter.
  • Als Schriftart eignet sind am besten eine Serifen-Schrift. Sie leitet wegen der Serifen die Augen besser, die Orientierung fällt leichter. Ich verwende Dark Courier. Sie ist angefettet, aber noch nicht fett und hat deutliche Serifen. Die Schriftart muss nicht proportional sein, wie gerne behauptet wird.
  • Zeilenabstand doppelt, damit der Zeilensprung deutlich ausfällt. Hilft ebenso der Orientierung.
  • Im gleichen Sinne: regelmäßige Absätze. Mindestens drei pro Seite.
  • Meine persönliche Erkenntnis schlechthin: im Gegensatz zu den Vorschlägen in Büchern verwende ich keine besonders große Schriftgröße, sondern eine, die ich aus Sichtabstand vor dem Aufnahmepult noch gerade eben gut entziffern kann. Ich war verblüfft, dass das tatsächlich besser funktioniert als große Schrift, weil dadurch, der Wahrnehmung entsprechend, nur die gesamten Wörter erfasst werden, keine Einzelbuchstaben. Man liest flüssiger.

Bei einem Layout wie im Screenshot macht eine Seite ca. anderthalb Minuten gesprochenen Text.

Kleine und größere Helferlein

Buchständer

Buchständer

Ein Tisch-Bücherständer leistet gute Dienste beim Einsprechen im Sitzen. Mit etwas Geschick bekommt man sogar drei Seiten platziert. Mit einem solchen Ständer, ein Notenständer oder ein Klemmbrett hilft auch, hat man kein Papier in der Hand und raschelt nicht herum. Jedenfalls bleibt in meinen Händen kein Papier still. YMMV. Blattwechsel schneidet man später heraus oder nimmt in Etappen auf.

Mikrofon-Klemmen

Mikrofon-Klemmen

Generell bin ich vom Einsprechen im Sitzen abgegangen. Obwohl es etwas mystisch erscheint, es macht einen großen Unterschied, ob man beim Sprechen sitzt oder steht. Die Atmung verändert sich, im Stehen hat man die Hände frei, kann etwas agieren, die Sprache ist freier. Nimmt man vorwiegend oder nur im eigenen Wohnraum ein, ist ein Orchesterpult optimal. Auf diesem steht das Manuskript, an den oberen Rand kommt eine Klemme für das Mikro. An dieser Klemme findet dann noch gleich der Pop-Schutz Halt. Beide Klemmen stammen von K&M, die große Version hat noch den Vorteil, dass sie fast beliebig positioniert werden kann. Erhältlich beim Musikhändler des Vertrauens oder bei Thomann. Hier die einfache und hier die große Klemme.

Holzpult

Holzpult

Soll es optisch etwas wohnlicher sein, sind die Notenpulte aus Holz von Thomann eine gute Wahl. Nicht ein Muster an Belastbarkeit, aber eher im Wohnbereich akzeptabler. So kommt man an ein Pult, an dem auch gleich das Mikro befestigt werden kann, und das Einsprechen im Stehen klappt.

 

Der Vorteil von Telefon-Interviews ist offensichtlich: keine Reisen, sie werden quasi automatisch kürzer und kompakter als das Gespräch am Kamin. Um solche Interviews mitzuschneiden, verwenden die Großen, also professionelle Sender, ziemlich teures und aufwändiges Equipment. Was sich in der Klangqualität solcher Interviews auch bemerkbar macht. Für den Hausgebrauch und den Gelegenheits-Interviewer keine Geschichte. Das muss etwas billiger gehen, geht es auch.

Hat man noch ein gutes altes schnurgebundenes Telefon, sind tatsächlich einfache Hardware-Lösungen zu kaufen. Ein Adapter wird zwischen Telefon und Hörer geschaltet, ein Klinkenstecker liefert das abgegriffene Gespräch an einen beliebigen Recorder. Nachteil: die Stimme des präsenten Interviewers ist nicht besonders klangvoll, denn das Mikro ist ja nun das des Telefons. Und wer hat noch ein schnurgebundenes Telefon? Also eine andere Lösung.

Diese hier kommt mit überschaubarem Aufwand an Hardware aus, wobei einige Komponenten meistens schon vorhanden sind. Oder für eine eher kleine Mark anzuschaffen.

  • Ein Recorder. In diesem Falle ein Zoom H2n, bereits an Bord.
  • Ein Kopfhörer, hier ein AKG K230 oder K240. Ebenso vorhanden.
  • Ein Mikro. Das muss kein Highend-Teil sein, ein einfaches Kondensator-Mikro von Thomann reicht.
  • Ein Mischpult. Das Behringer Xenyx 302 USB ist eines der kleinsten und billigsten. Gleich mehrfach vorhanden, bei mir.
  • Ein PC (ach …?)
  • Eine sogenanntes Softphone, mit dem man über den PC und das Internet telefonieren kann.

Die Verbindung der einzelnen Komponenten ist nicht kompliziert.

Interview-Hardware

Interview-Hardware

Das Behringer-Pültchen hat den Vorteil, dass es direkt vom PC über USB stromversorgt ist und auch mit fast allen Softphones funktioniert. Andere Pulte, wie ein Xenys 1204 USB, wurden vom Softphone nicht als Mikro-Eingang akzeptiert. Und das 302 kann auch Kondensator-Mikros mit Phantomspeisung versorgen, ohne externes Netzteil. Eh man das Gebastel anfängt, sind die 49 Euro Investition sinnvoll.

Für die Konfiguration des Softphones sollte man die Hilfetexte in Anspruch nehmen. Kandidaten sind 3CX Phone oder NinjaLite. Wer seinen Telefonanschluss von 1&1 hat, ist gut dran. Im Benutzerportal bei 1&1 gibt es ein kostenloses Softphone zum Herunterladen, das zwar optisch grauenvoll ist, aber gut funktioniert und dazu mit der eingegebenen Telefonnummer sich selbst konfiguriert. Absolut narrensicher. Wenn man nicht vergisst, im Kundenportal für seine benutzte Telefonnummer ein Passwort einzutragen. Ansonsten reicht zur Installation seine Telefonnummer und eben das gesetzte Passowort.

Ist das Softphone installiert, ist man so gut wie fertig. Für die obige Konfiguration noch ein paar Hinweise:

  • Auf dem 302er-Pult die beiden mittleren Tasten über dem Line-In beide drücken. Die linke, damit der PC bzw. das Softphone im Main-Mix landet, die rechte, damit sich die Gegenseite nicht selbst hört. So landet das Softphone nur auf dem Kopfhörerausgang. Mit der Latenz der VoIP-Verbindung verlieren ungeübte Sprecher sonst mit dem Echo sofort die Sprechfähigkeit.
  • Aus dem Kopfhörerausgang des Pultes geht es dann in den Recorder, dazu braucht man ein Miniklinke zu Miniklinke-Kabel.
  • Da der Kopfhörer am Recorder hängt, hört man genau das, was dort ankommt.
  • Die Lautstärkenverhältnisse zwischen Mikro und Telefon sind oft sehr ungleich. Daher drehe ich die Balance des Mikroeinganges, meiner Stimme, ganz auf den rechten Kanal. Das Telefon drehe ich komplett auf den linken Kanal. So kann ich später in der Bearbeitung beide Kanäle getrennt normalisieren und erst dann zusammen führen. Und ich höre meinen Gesprächspartner mit dem „richtigen“ Ohr.
  • Vor dem eigentlichen Interview ein paar Minuten zum richtigen Einstellen der Pegel vorsehen, aber das sollte man zum Vorstellen oder Einleiten eh machen. Die Telefonleitungen haben sehr unterschiedliche Pegel.

Die ganze Konfiguration ist eher einfach und nicht schwierig zu handhaben. Was einen nicht davon abhalten sollte, das Interview inhaltlich gut vorzubereiten.

Røde Procaster

Røde Procaster

Zuerst habe ich Moderationen über das Großmembran-Kondensatormikro Røde NT-1A eingesprochen. Das hat die Vorteile eines warmen, detailreichen Klanges, aber den Nachteil einer hohen Empfindlichkeit. So dass jedes noch so winzige Geräusch, sei es ein knarrender Schuh oder ein Magenbrummeln, sehr deutlich mitgenommen wird. Dann bin ich auf das Røde Procaster umgestiegen, das nun hat die Vorteile eines guten Klanges für Sprecher und einer geringeren Empfindlichkeit für Nebengeräusche. Der Nachteil des dynamischen Procasters ist, dass es bauartbedingt eine nur sehr niedrige Ausgangsspannung liefert. Wie alle dynamischen Mikros, von Bändchenmikros ganz zu schweigen. Alle Versuche, mehr Gain ohne deutliches Rauschen zu bekommen, scheiterten. Auch der ART Tube MP oder ein selbst gebauter Preamp mussten so weit aufgezogen werden, dass das Rauschen nicht mehr akzeptabel war. Einen Preamp im vierstelligen Euro-Bereich, mit geringem Eigenrauschen, wollte ich mir nicht leisten. Ein vor das Procaster geschalteter 1:4-Übertrager nicht billiger Herkunft zog zwar den Pegel in das Pult hoch, machte jedoch auch dem Klang den Garaus. Erst wollte ich damit leben, dann wieder das Procaster in die Musiker-Kleinanzeigen schicken, bis mir zufällig in einem Video in You Tube der Triton Audio FetHead über den Weg lief.

Triton Audio FetHead

Triton Audio FetHead

Ein wenig habe ich das Video für einen Marketing-Hype gehalten, aber für unter 80 Euro kann man ja mal einen Fehler machen. Nach wenigen Tagen Lieferzeit ist der FetHead heute aus den Niederlanden angekommen, Bedankt, Erwin. Ab ins Studio, etwas feixend, dass die Kollegen von Triton Audio dann doch am Ende zu viel versprochen haben, ging der FetHead heute online. Er wird einfach zwischen Mikro und Pult geschaltet, es gibt keine Bedienungselemente, sieht aus wie ein zu lang geratener XLR-Stecker. Vollmetall, schwer, stabil, wohl zuverlässig. Stromversorgung geschieht über Phantom Power. Dafür soll er gut 20 dB Gain liefern, abhängig von der Eingangsimpedanz des Pultes. Und das tut er bestens. Ich habe es nicht beweisen können, aber es scheint so, dass das verbleibende Rauschen vom Mikro selbst kommt, denn ohne angestecktes Mikro kommt erst Rauschen vom Preamp im Pult bei hohem Gain. Der FetHead ist absolut still, verstärkt den Pegel des Procasters so weit, dass der Gain-Regler meines Behringer 1204 nicht einmal halb aufgezogen werden muss. Es ist nicht null Rauschen wie beim NT-1A, aber das bisschen Rauschen ist mehr als akzeptabel. Das Procaster darf bleiben. Nein, das Procaster wird ab jetzt das Standard-Mikro.

Als wenn es damit nicht genug wäre, verändert der FetHead zusätzlich im positiven Sinne den Klang des Mikros. Es klingt einen Tucken wärmer, definierter und voluminöser. Ich vermute, dass die höhere Eingangsimpedanz des FetHead – im Vergleich zum Pult – die Spule des Procasters weniger bedämpft und dadurch der Klang besser wird. Mehr Gain, mehr Sound, und das für unter 80 Euro. Eines der wenigen Beispiele, dass ein Produkt nicht nur hält, was versprochen wird, sondern im Grunde mit seiner Rauscharmut viel teurere Preamps degradiert.

Neben der Standardversion gibt es noch den FetHead BC (für Broadcast) für harte Umgebungsbedingungen, der in die Mikroleitung eingeschleift wird, einen konstanten Gain hat und den man wohl mit einem Panzer überfahren darf. Dann ist da noch eine Variante, die die Phantomspeisung durchschleift, das macht der FetHead nicht und schützt so das dynamische Mikro. Noch eine andere Version nimmt als Eingang einen 6,3 mm-Klinkenstecker auf und ermöglicht den Anschluss von E-Instrumenten an ein Pult ohne Höhenverluste. Nette kleine Helferlein, die in dieser Firma zu finden sind.

Dann drücke ich dem noch recht jungen Unternehmen in unserem Nachbarland alle verfügbaren Daumen. Der FetHead ist ein Produkt, das den Preamp-Markt so aufmischen könnte wie damals Behringer den Mischpult-Markt. Hohe Qualität zu einem unglaublich niedrigem Preis.

Nachtrag: ich habe heute mal mein gutes altes SM57 über den FetHead angeschlossen. Kaum zu glauben, wie gut ein solches Standard-Mikro klingen kann. Wenn man ausreichend Abstand zum Mikro behält, wegen des Nahbesprechungseffektes, kann sogar ein SM57 verdammt gut klingen.

Artikel über LEDs

Artikel über LEDs

So sei es, nun darf ich mich also Fachjournalist nennen. War eine Menge Arbeit, aber auch ein Lernschritt.

Meine Abschlussarbeit als PDF, weitgehend bilderfrei, im Gegensatz zum Original. Es geht um LED-Technologie, also eher so etwas wie ein Heimspiel.

Der Generationenwechsel, sinkende Renten, der Mangel an Fachkräften, all das sind Zeichen einer Veränderung in unserer Gesellschaft. Doch eine Veränderung bleibt bisher unbeachtet: die Folgen des soziologischen Wandels in den späten 60er und frühen 70er Jahren. Die Menschen, die in dieser Zeit sozialisiert wurden, stellen auch neue Anforderungen an ein entsprechendes Leben im Alter.

Stairway To Heaven

Stairway To Heaven

Ein eher unscheinbares Gebäude im nördlichen Essener Stadtteil Dellwig. Obwohl erst in 2009 erbaut, erinnert die Fassade mit ihrem Backsteinstil und den rostroten, etwas blinden Sprossenfenstern eher an eine Mietskaserne in Berlin-Kreuzberg. Dieses Haus ist kein gewöhnliches Haus, sondern das erste Pflegeheim, das sich auf einen Generationenwechsel eingestellt hat. So wie Helmuth G., der damals fleißig bei der Aktion Roter Punkt gegen die Essener Verkehrs-AG dabei war, der seine Jugend in der eher berüchtigten als bekannten Kneipe „Podium“ verbrachte, geht es vielen heutigen Rentnern. Helmuth G. hat in seinem Leben noch nie eine Musikantenstadel-Sendung gesehen und kennt WDR4 nur vom Hörensagen. Ihm graute es davor, trotz privater Pflegevorsorge und sparsamen Lebensstandards irgendwann in einem Pflegeheim heutiger Couleur zu enden. Er fand im Alter, geringfügig pflegebedürftig, eine neue Heimat in diesem Haus. „Echt voll geil hier, Du.“ ist sein zufriedenes Urteil.

Robert Pflanz ist Geschäftsführer der »Seniorenresidenz Stairway To Heaven« hoch im Essener Norden. Er erläutert das Konzept dieser Einrichtung so: „Wir müssen uns in naher Zeit auf einen Wechsel unserer typischen Bewohner einstellen. Wenn die Leute in den Pflegebereich einziehen, die mit Led Zepplin und den 68er-Aktionen groß geworden sind, finden die herkömmlichen Pflegeeinrichtungen bei diesen Menschen kein Interesse mehr.“ Auf diese neuen, aktuellen Bedürfnisse geht das Haus ein. Im Keller der Anlage stehen den Bewohnern barrierefrei zahlreiche Proberäume zur Verfügung, ein kleines Studio mit Parkplätzen für Rollatoren ist ebenso vorhanden. Statt der üblichen Cafeteria im Erdgeschoss befindet sich dort die Kneipe »Titty Twister«, in der an jedem Samstag Live-Acts stattfinden. Blues- und Rock-Bands bilden den Standard, für das dreijährige Jubiläum im Juli 2013 ist ein Auftritt von Guru Guru oder Ton, Steine, Scherben geplant. Keine Mühen wurden gescheut, das originale Interieur im 150 Jahre alten Pub »The White Horse« im südenglischen Dover ab- und hier in diesem Unterbezirk von Essen-Borbeck wieder aufzubauen. Natürlich sind dort Guinness, Kilkenny und Jack Daniels genau so im Angebot wie der beliebte Van Nelle Zware und die kaum noch bekannten niederländischen Zigaretten der Marke Black Beauty. Hier wird Service groß geschrieben, gerade für die nächste Generation, die mit den Vorlieben ihrer Eltern und Großeltern so gar nichts mehr anfangen kann. „Die Menschen möchten in ihrem wohl verdienten Ruhestand zu ihren vertrauten Wurzeln zurückkehren, nicht umgepflanzt werden in eine sterile Wohnanlage.“, weiß der Geschäftführer.

Für das Jahr 2020 ist eine zusätzliche Einrichtung am Südufer des Baldeneysees geplant, am Rande von Werden. Im »House Of tl;dr“ verfügt jedes Zimmer über einen 500 MBit-Netzzugang, ist mit einem 17-Zoll-Tablet, einem Android-Senioren-Smartphone, einem Quadcore-Rechner mit 64 Gigabyte Speicher, Lupe und LCD-Projektor ausgestattet. Ein 5 Petabyte-Speichersubsystem im Rechenzentrum der Residenz steht allen Bewohnern kostenfrei zur Verfügung und ist über Glasfaserleitungen an die Zimmer angebunden. Die SysAdmins arbeiten in drei Schichten rund um die Uhr und sind ständig erreichbar. Die hauseigene  Einrichtung »Eat & Never Meet« liefert 24 Stunden lang an sieben Tagen der Woche Pizza, Kaffee und Cola direkt aufs Zimmer. Optional gibt es eine Sushi-Flatrate. „Hier sind wir der Zeit etwas voraus, doch wir sind sicher, dass schon in einigen Jahren der Bedarf an solchen Altenwohnheimen mit flexibler Betreuung, vom betreuten Wohnen bis zur Vollzeitpflege mit einer eigenen Schreibkraft, seinen deutlichen Markt finden wird.“, erklärt Robert Pflanz.

Helmuth G. geht in die liebevoll eingerichtete Kantine mit den abgeschabten alten Barhockern und den Hausbesetzer-Glühlampen an der Decke. Das ausgewogene und abwechslungsreiche Angebot, heute Käse-Brötchen oder Döner von gestern, dazu ein lecker Frankenheim, findet immer mehr Anklang. Danach ein Mittagsschläfchen, einen doppelten Espresso und heute Abend geht es mit der hauseigenen Fahrbereitschaft auf Schalke. Helmuth G. war ein Vorreiter, doch das Haus füllt sich nun zunehmend mit Menschen seines Schlages. Ein Konzept, das offensichtlich Anklang gefunden hat und dem seine große Zukunft noch bevor steht. So sieht es auch Robert Pflanz. Und eilt in die Kneipe, am nächsten Samstag sind Man im »Titty Twister«, da muss die Bühne glänzen.

Die Globalisierung begann in der Wirtschaft, nun schwappt sie auch ins Privatleben. Die Anzahl an Fernbeziehungen nimmt zu, in Zügen und Flugzeugen viele Menschen auf dem Weg zur Beziehung oder zurück zur Arbeitsstelle. Doch wie bei der gelobten Mobilität im Job stellt sich in der Fernbeziehung die Frage, wie es den Menschen dabei geht.

(Namen wurden aus Personenschutzgründen geändert)

Bleib!

Bleib!

Die Autobahn A2, eine endlose Kette von LKWs aus Litauen, Polen oder sogar aus dem fernen Russland, von Oberhausen bis Berlin. Längere Fahrten auf ihr eine Mischung aus Stress und aufkommendem Fernweh. Wie an jedem Freitag fährt Raimund von Nordrheinwestfalen nach Niedersachsen. Weil Pferde und Katzen nicht allein bleiben können, und weil Ilka ein großes Haus mit Garten hat. Die Ausfahrten kennt er inzwischen auswendig. Am steilen Berg vor Lauenau ist Vorsicht geboten, LKWs scheren unerwartet aus, genau an dieser Stelle passieren viele Unfälle. Bisher ist er glimpflich davon gekommen, dank ABS und Routine. Im Sommer eine schöne Strecke, sie geht durch das hügelige, grüne Weserbergland, im Winter bei Dunkelheit, Nebel und Regen werden aus den knapp 200 Kilometern gefühlte 500. Am Sonntagabend schafft er die Strecke schon mal in 90 Minuten, am Freitagnachmittag können es mit Baustellen sogar drei Stunden werden. Am Freitagnachmittag treibt ihn die Aussicht auf ein gemeinsames Wochenende, am Sonntagabend auf dem Weg zurück bleibt ein Gefühl der Unruhe und Unzufriedenheit, wenn der Job ihn wieder in das leere 30-Quadratmeter-Apartment zwingt. Gesund fühlt sich das nicht an.

Schätzungen gehen davon aus, dass jede achte Partnerschaft „auf Distanz“ gelebt wird. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung spricht in einer gerade erschienen Studie von 13,4% der Paare, die entfernt zusammen leben. Die tatsächliche Zahl dürfte um ein Vielfaches höher liegen, wenn man diejenigen Paare berücksichtigt, bei denen ein Partner beruflich bedingt in den entfernten Zeiten in Hotels wohnt. So geht man im Schnitt davon aus, dass Akademiker im Laufe ihres Berufslebens bis zu 25% der Zeit in einer Fern- bzw. Wochenendbeziehung leben.

Barbara und Elo haben sich wie Raimund und Ilka übers Internet kennengelernt. An jedem Wochenende pendelt Barbara drei Stunden mit der Bahn von Düsseldorf nach Ratzeburg und wieder zurück. Auch hier ist es das malerisch in der Nähe des Ratzeburger Sees gelegene Haus, ein Traum für jeden, der sonst in Düsseldorf jeden Tag schon den Kampf um einen Parkplatz neu durchstehen muss. Während für Raimund die Fahrt anstrengend und nervenraubend ist, hat Barbara als freiberufliche Sozialpädagogin Schwierigkeiten, sich die sechs Stunden Fahrt von ihrem engen Zeitplan abzuknapsen. Wie für das Paar aus Niedersachen und Ostwestfalen ist es der ständige Wechsel zwischen Nähe und Distanz, der immer wiederkehrende Abschied, das Abbrechen von bisherigen sozialen Beziehungen und die Phasen des Zweifels und der Einsamkeit, die schon mal das Gefühl mit sich bringen, die Orientierung verloren zu haben.

Globalisierung, Mobilität und Flexibilität sind die Schlagworte der modernen Gesellschaft. Nicht nur der Beruf fordert, dass man heute hier und morgen dort arbeitet. Auch das Privatleben wird zunehmend globalisiert. Das Partnersuche-Portal Parship sieht den Anteil Paare, die sich über das Internet finden, nahe bei der 10%-Marke. Dass diese Menschen nicht in der gleichen Stadt wohnen, ist quasi vorprogrammiert, man verliebt sich nicht, weil man den gleichen Wohnort hat. Erst jetzt erforschen Wissenschaftler, wie an der Universität Mannheim, welche psychosozialen Folgen der Verlust eines eindeutigen Lebenszentrums und einer konstanten Beziehung haben. Dass Fernbeziehungen viel häufiger scheitern als konventionelle, nämlich zu 65%, haben sie schon belegt.

Was die Arbeitswelt aufgezwungen hat, findet so Eingang in das Privatleben: thematische, räumliche und seelische Mobilität wird zur täglichen Anforderung, auch jenseits der Fünfzig. Die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit, wie sie für Generationen in den Wohnorten und sozialen Umgebungen noch normal war, ist Vergangenheit. Doch die Flexibilität, die die Wirtschaft von den Menschen einfordert, bietet sie ihnen im Gegenzug nicht.

Im März 2012 hat Barbara den nicht leichten Weg gewählt und ist zu Elo in den Norden gezogen. Ihren Kundenstamm im öffentlichen Sozialbereich muss sie mühsam neu aufbauen. Raimund sucht seit Monaten einen neuen Job in der jetzigen Heimat. Bisher vergeblich.

Was dem Einen seine Volksmusik, ist dem Anderen Death Metal oder Punk. Dann wären da noch die Freunde der Klassik und die Anhänger des Irish Folk, gerade die Deutschen scheinen ein Volk zu sein, das Schubladen braucht. Auch und gerade in der Musik. Doch gibt es Musiker, die in vielen Lagern Zuspruch erhalten, weil sie eben keine Schublade bedienen und zwischen diesen Welten wandern. Einer dieser Ausnahmemusiker ist der norwegische Saxophonist Jan Garbarek. Und der war am 11. Oktober 2012 wieder in der kleinen Großstadt an der Pader zu sehen und zu hören.

Jan Gabarek Band

Jan Gabarek Band

Meistens im Herbst erwartet man ihn. Er kommt leider nicht regelmäßig, manchmal wartet man mehrere Jahre. Und dann kommt er nicht im Herbst, sondern im späten Winter. Nein, nicht von einem jahreszeitlichen Sturm ist die Rede, sondern vom norwegischen Saxophonisten Jan Garbarek. Am 11. Oktober 2012 war es wieder so weit. Die Jan Garbarek Band in der Paderhalle.

Hängen die ersten Plakate, ist nicht mehr viel Zeit für den Besuch des Vorverkaufs, oft sind in kurzer Zeit seine Konzerte ausverkauft. Sie sind in Paderborn eine Institution geworden, wie das Volksfest Libori oder das Schützenfest. Dass Jan Garbarek so regelmäßig in dieser Stadt in Ostwestfalen auftritt, hat wohl mehrere Gründe. Einer ist sicherlich, dass das Jazz-Publikum hier ihn hör- und spürbar schätzt, weil er die Mentalität dieser schon irgendwie norddeutschen Gegend so trifft wie wenige andere. Der Tenor-Saxophonist, der den nordischen Jazz wie kaum jemand sonst populär machte, ihn in gewisser Weise repräsentiert. Als typischer Nordeuropäer hat sich Garbarek dann in den 70er Jahren sein Image erworben: kühl, kontrolliert, beinahe distanziert. Doch dieser Abend sollte zeigen, dass das Bild angepasst werden muss.

Der amerikanische Musiker und Komponist George Russell bezeichnete Garbarek als „Das größte Jazzmusik-Talent, das Europa nach Django Reinhardt hervorgebracht hat.“ Geboren am 4. März 1947 in Mysen in Norwegen, begann er mit 14 Jahren Saxophon zu spielen und gehört neben Terje Rypdal, Arild Andersen und John Christensen nun schon seit vielen Jahren zu den Big Four der norwegischen Jazz-Szene.

Der Abend des 11. Oktober, es ist noch nicht richtig Herbst, klar und trocken,  nordisches Wetter. Ein stetiger Strom von Besucher verschwindet ruhig hinter den Türen der Paderhalle, im Foyer sammelt sich ein Publikum, das man am besten als gehobenes, liberales Bürgertum bezeichnen kann. Viele Leute jenseits der 50, wenige nahe der 30 Jahre. Die von Beton und wenig Holz geprägte kühle Atmosphäre will wohl so etwas wie einen Vorgeschmack der Musik Jan Garbareks geben. Ebenso der große Saal mit seinen fast 1000 Plätzen, die spärliche Bühnenausstattung mit einem großen Tuch im Hintergrund, das nur zwischen den Stücken die Farbe wechselt. Ausverkauft ist das Konzert dieses Mal nicht, aber sehr gut besucht. Das übliche Gemurmel vor Konzertbeginn, doch es ist nur leise, es trägt Vorfreude und Spannung auf die derzeitige Band von Garbarek. Weil man bei Jan Garbarek nie weiß, was einen nun erwartet.

Auf der aktuellen Tournee ist er mit seinem langjährigen Begleiter am Piano, Rainer Brüninghaus, dem Inder Trilok Gurtu an den Percussions und dem Brasilianer Yuri Daniel am Bass unterwegs. „Die menschliche Stimme ist mein Ideal“, sagt Jan Garbarek und es gibt wohl kaum einen Saxophonisten, der diesem Ideal so nahe gekommen ist. Ulrich Greiner schreibt über ihn in der ‚Zeit‘: „Die Utopie des unendlichen Atems und des natürlichen Wohlklangs treibt Garbareks Musik an, sie schwitzt nicht, sie ist heiter im Sinn des Worts, das vom griechischen Aither kommt und klarer Himmel, reine Luft bedeutet.“

Es ist kurz nach acht. Die Band beginnt mit einigen älteren Stücken von Garbareks Alben »Belonging« und »Places«. In dieser Besetzung gerät man schnell in die Gefahr wie die Fusionband Weather Report zu klingen. Doch nicht bei dieser Band, Garbareks Stimme und Ausdruck an diesem Instrument sind unverwechselbar, Rainer Brüninghaus ist ein exzellenter, aber genauso eigenwilliger Pianist in allen Stilen. Yuri Daniel spielt einen bundlosen elektrischen Fünfsaiter, zurückhaltend, sanft, sich nie in den Vordergrund spielend. Trilok Gurtu spielt Schlagzeug, indische Tablas, südamerikanische Congas und alles, was an Percussion verfügbar ist. Nach den eher klassischen Stücken Übergang zu moderneren Kompositionen. Und es kommt genau das, was so einmalig bei Garbarek ist: die Vier schöpfen aus allen musikalischen Stilen, vom klassischen Jazz über den Cool Jazz bis hin zu Melodien und Klängen aus dem Mainstream, Pop und Rock. Stetiger Wechsel der Solisten, Dialoge zwischen Bass und Saxophon, Piano und Bass, Schlagzeug und Saxophon. Brüninghaus und Gurtu liefern sich sogar einen Dialog zwischen Percussion und Piano, witzig, augenzwinkernd, mit einer Spielfreude, die man selten auf Jazzbühnen sieht. Dazwischen ein lächelnder, manchmal witzelnder Jan Garbarek.

Doch der große Teil des Abends gehört den anderen, Jan Garbarek zieht sich immer wieder zurück, überlässt seinen drei Mitmusikern das Feld. Bass- und Schlagzeug-Solos, in der populären Musik fast verschwunden, feiern hier ihre Rückkehr. In einem Moment noch sphärische, schwebende Klänge vom Saxophon und breite Klangteppiche vom Keyboard, dann wieder Rückkehr zu Sounds, die man eher im Hardrock erwartet. Es grooved, es stampft, es rockt. Dann wieder nur der Flügel, an dem sich Rainer Brüninghaus von der Neoklassik a’la George Winston über den Ragtime bis in den Freejazz arbeitet. Ständig ändern sich die Atmosphäre und der Klang, mal Solos, mal Duetts, dann wieder die komplette Band, doch immer passt es, immer ist es stimmig. Und alles ist erlaubt, auch Anleihen beim Pop und Synthesizer-Sounds. Das ist der Jan Garbarek, den sein Publikum liebt. Ständig präsent, aber nie vordergründig. Ständige Veränderung, aber immer er selbst. Und mit einer Stimme, die unverwechselbar und einmalig ist.

Gegen Ende gehört dem Inder Trilok Gurtu noch einmal allein die Bühne. Er beginnt mit einem Schlagzeug-Solo, geht über auf Tablas und Congas, legt einen Scat-Gesang darüber, es folgt eine Reise durch die Welt der Percussion, zu der bei ihm auch ein mit Wasser gefüllter Blecheimer gehört. Am Ende steigt Garbarek mit einer Obertonflöte ein und Garbarek und Gurtu beenden die Einlage mit einem furiosen Duo für Percussion und Flöte.

Nach weit über zwei Stunden Reise durch die Möglichkeiten, was Jazz  auch sein kann, endet der Auftritt mit Standing Ovations und zwei Zugaben, die letzte schon unter Saalbeleuchtung. Vier großartige Musiker, zusammen wohl 100 Jahre Jazz-Erfahrung und dazu schier unglaubliches musikalisches und technisches Können.

Eintritt erwünscht

Eintritt erwünscht

Hier ein Lächeln auf den Gesichtern der Zuschauer,  dort aber manchmal auch ein Grinsen. Weil diese Musiker sich selbst nicht immer ernst nehmen, sich nicht in den Olymp setzen, sondern auf dem Boden der musikalischen Realität bleiben. Und was macht die Jan Garbarek Band so einmalig? Dass sie sich aus allen Schubladen bedient und am Ende in keine mehr hinein passt. Und damit Freunde aus allen Schubladen findet.