Christian Jakob: Endzeit

Denke ich 25 und mehr Jahre zurück, fallen mir eine Menge Krisen ein. Die Ölkrise in den Siebzigern hatte steil ansteigende Benzinpreise zur Folge. Positiv war daran, dass man an einigen Wochenenden mit dem Rad auf der A40 durch das Ruhrgebiet fahren konnte. Die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl in 1986. Das Wüten der Roten Armeefraktion ab 1970. Nun finden wir uns Mitte der 2020er auch nicht gerade in einer krisenarmen Zeit, im Gegenteil, redet man aktuell von einer Polykrise. Doch es gibt Unterschiede zum letzten Jahrhundert. Nie war damals die Katastrophe in greifbarer Nähe, drohte der totale Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Auch von einem Untergang der Zivilisation wegen des Klimawandels war nicht die Rede, obwohl schon damals Wissenschaftler vor der hemmungslosen Ausbeutung der irdischen Ressourcen warnten. Heute jedoch geht es ständig ums Ganze. Steht die Apokalypse permanent vor der Tür. Warten wir bange auf den Ausbruch des Dritten Weltkrieges wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine. Warum eskalieren die aktuellen Krisen ständig und verstummen die Kassandra-Rufe scheinbar gar nicht mehr? Christian Jakob unterzieht die Erzählungen von der Endzeit einem Faktencheck, nimmt sich die wichtigsten Szenarien vor und natürlich ihre Hintergründe. Die sind, man ahnt es, vielfältig.

Christian JakobEndzeit

Ein Unterschied zwischen 1980 und 2024 ist offenkundig. Es gab 1980 zwar schon Anfänge des Internets, aber kein World Wide Web und erst recht keine sozialen Medien. Schon gar nicht für jeden. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Woher kommt diese Furcht vor dem Weltuntergang? Die Apokalypse hat ihr erstes Auftreten schon in der Bibel. Das Verständnis vom Weltuntergang hat sich jedoch in der Moderne grundlegend gewandelt, in den damals religiös geprägten Gesellschaften war das Ende nämlich vielmehr ein Neuanfang. Es wartete das Paradies oder die Neugeburt. Heute stehen Hiobsbotschaften in wissenschaftlichen Aufsätzen, wie bei Anton Metternich aus dem Jahr 1947. Erst recht bedrohlich wird die kommende Katastrophe dann ab den 1970er Jahren. Als der Club of Rome seinen Bericht «Die Grenzen des Wachstums» veröffentlichte. Heute warnen Politiker und Umweltverbände vor einem „ökologischen Hiroshima“ oder „ökologischen Holocaust“. Im Vergleich dazu wirken die damaligen Hilferufe geradezu gemäßigt. Nicht die Krisen haben sich also verändert, sondern vor allen Dingen ihr Umgang mit ihnen.

Jakob widmet sich nach einer geschichtlichen Betrachtung der Apokalypse als Genre den aktuellen Krisen: Pandemie, Welthunger, Migration, Wirtschaftskrisen, Angst vor einem Atomkrieg und einer bösartigen künstlichen Intelligenz. Besonders ausführlich geht er auf die Klimakrise ein, und wo die Grenzen zwischen Panikmache und Verharmlosung liegen. Doch soll es nicht über die katastrophalen Konsequenzen der Klimakrise hinwegtäuschen, die zwar nicht die Erde, doch aber die Welten vieler ihrer Bewohner zerstören wird. Ein Hauptproblem sieht Jakob in einer angemessenen Kommunikation. Er betrachtet die Rolle der Medien daher ausgesprochen kritisch. Wie gerade durch die sozialen Medien die Aufmerksamkeits-Ökonomie um sich greift, schlechte Nachrichten am stärksten im Gedächtnis hängen bleiben. In diesem Sinne hätten die Medien seit langer Zeit grundlegend versagt. Es sei deren Aufgabe, zu hinterfragen und frühzeitig zu warnen. Anstatt eine pessimistische Grundhaltung zu pflegen, das Getöse in den Echokammern noch zu verstärken, sollten sich die Leitmedien in der Berichterstattung darum bemühen, Handlungsoptionen aufzuzeigen. Denn die gibt es reichlich. Schließlich sind Prognosen über das Weltklima genau das: Schätzungen und keine Weissagungen.

In «Endzeit» geht es Jakob um die großen Aufreger der Gegenwart, um das Versagen der klassischen Medien, die die  Endzeitstimmung eher noch unterfüttern anstatt auf eine sachliche und faktenbasierte Darstellung zu setzen. Andererseits kann man den klassischen Medien nicht allein den schwarzen Peter zuschieben, denn allzu gerne fluten Prepper, Rechtsextreme und Neoliberale die sozialen Medien mit hanebüchenem Unsinn von den bevorstehenden Katastrophen. Wo Leute mit wenig bis gar keiner Medienkompetenz die Stories aufgreifen und weiter verbreiten. Im Grunde sind wir alle gefordert, wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu kommen, anstatt politischen, ökonomischen und ökologischen Schwätzern hinterher zu laufen. Diese Fluchten in den Glauben an den Untergang zu verstehen, welche vielen Grundlagen sie haben und wie wir dem Katastrophendenken entgegen wirken können, hat Jakob in diesem Buch geschickt zusammen gefasst.

Christian Jakob (* 29. März 1979 in Quakenbrück) ist ein deutscher Journalist. Jakob studierte Soziologie und Volkswirtschaft in Bremen und Mailand und Global Studies in Berlin, Buenos Aires und Delhi. 2001/2002 war er Vorsitzender des AStA an der Universität Bremen. Seit 2006 ist er Redakteur der tageszeitung, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2012 in Berlin. In seinem ersten Buch mit dem Titel «Soziale Säuberung» beschrieb Jakob die Vertreibung der afroamerikanischen Unterschicht aus New Orleans nach dem Hurrikan Katrina. 2011 schrieb er mit an «Europa macht dicht – Wer zahlt den Preis für unseren Wohlstand?». 2016 erschien von ihm «Die Bleibenden», eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung in Deutschland. Für seine Berichterstattung zur Asylpolitik wurde er 2015 für den Journalistenpreis „Der lange Atem“ des Journalistenverbandes Berlin Brandenburg im DJV nominiert und 2017 mit dem Otto-Brenner-Preis der Otto Brenner Stiftung ausgezeichnet. 2017 veröffentlichte er mit der tageszeitung-Korrespondentin Simone Schlindwein «Diktatoren als Türsteher», eine Dokumentation der neuen EU-Politik in Afrika. 2023 schrieb er «Endzeit. Die neue Angst vor dem Weltuntergang und der Kampf um unsere Zukunft».

Dieser Text basiert auf dem Artikel Christian Jakob aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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