Roland Sturm: Länderbericht Großbritannien

Die Länderberichte der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es schon zu vielen Ländern. Obwohl ich durch meine persönliche Geschichte mit diesem Land sehr verbunden bin und meine, bereits eine Menge darüber zu wissen, habe ich mir das Buch trotzdem vorgenommen. Und dann noch eine Menge mehr gelernt und verstanden. Eher als politisches Buch gedacht, widmet es sich vielen weiteren Themen, was das Land prägt und bestimmt. Von der Geschichte über politische und gesellschaftliche Aspekte, Kultur und Bildung, Sport und Humor bis hin zu Großbritanniens Verhältnis zum Kontinent und zur EU. Erstmals erschienen 2019, ist der Brexit nur eines von vielen Stichworten. Bestehend aus 29 Beiträgen verschiedener Autoren, zum Teil auch englischen in einer Übersetzung, führt es durch viele wirkliche oder angebliche britischen Eigenarten. Aus dem politischen Ansatz heraus nehmen dann Großbritanniens koloniale Vergangenheit, die Zeiten des Empires sowie die politische Ausprägung einen großen Raum ein. Wie zum Beispiel Premierminister der beiden großen Parteien auch Bildung und Gesellschaftsfürsorge geprägt haben. Die Unterschiede zwischen den vier Nationen, England, Schottland, Wales und Nordirland, von Schulen bis Wahlverfahren, spielen eine wesentliche Rolle, es wird der Nordirland-Konflikt im Detail betrachtet, welche Wirkung und Konsequenz die schon lange stattfindende Migration, aus dem Empire und aus der EU, für das Innenverhältnis hatten. Kein triviales Buch.

Überraschend werden sogar Jugendkulturen wie Teddy Boys, Mods oder Punks berücksichtigt. Damit ist der Themenumfang eher angerissen als vollständig wieder gegeben. Das entstehende Gesamtbild der britischen Gesellschaft und der treibenden Kräften wie Themen trifft aus meiner Sicht sehr genau die Realität. Zum Verständnis hilft dabei ein eingehender Blick auf Medien und Einflüssen wie Klassen und Schichten, das Schulsystem, soziale Sicherungssysteme wie auch die Unterschiede zwischen Landesteilen wie City of London, Schottland oder Nordengland. Dieser reich bebilderte Länderbericht gibt vertiefte Einblicke in die Geschichte, Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft eines Landes auf Identitätssuche. Nur ein Kapitel hat mir gefehlt: Über das britische Essen, das viel besser ist als allgemein angenommen.

Die Artikel sind durchgehend von hoher journalistischer Qualität, sehr verständlich geschrieben und gehen zum großen Teil tief ins Eingemachte. Wenn man wissen will, wie Großbritannien entstand, was und wer es geprägt hat, wie und warum Großbritannien, wenn man es überhaupt als Einheit sehen kann, so »tickt«, ist man mit diesem Buch bestens bedient. Damit kann das Buch nicht auf Statistiken und komplexe Grafiken verzichten, tut das jedoch immer im genau definierten Kontext, sachlich und ausgewogen, mit einer gewissen Distanz. Gleichzeitig in so vielen Einzelheiten wie nötig, aber nie mit überflüssigen. Durch seine Breitbandigkeit geht der Länderbericht Großbritannien weit über eine politische oder gesellschaftliche Analyse hinaus.

Roland Sturm (* 10. März 1953 in Speyer) ist ein deutscher Politikwissenschaftler. […] 1996 wurde er ordentlicher Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von 1997 bis 2011 war er mit Unterbrechung geschäftsführender Vorstand des Instituts für Politische Wissenschaft und von 2004 bis 2011 des Zentralinstituts für Regionenforschung. Darüber hinaus leitete er die Promotionskollegs „EU-Osterweiterung und ihre Folgen für die Europäische Union, die Mitgliedsländer und die Beitrittsstaaten“ und „Politik- und Parteienentwicklung in Europa“ mit. 2013 übernahm er mit dem Politikwissenschaftler Eckhard Jesse das Promotionskolleg „Demokratie in Europa“. Neben seiner Tätigkeit für Senat und Dekanat ist er seit 2009 Vertrauensdozent der Hanns-Seidel-Stiftung und seit 2009 der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2007 war er Gastprofessur an der Universität Peking (China) und 2014 an der Universitat Pompeu Fabra (Spanien/Katalonien). Er war Leiter der Sektion Vergleichende Politikwissenschaft der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und Vorsitzender des Arbeitskreises Deutsche Englandforschung. Sturm ist u. a. Vorstandsmitglied der Deutsch-Britischen Gesellschaft in Nürnberg sowie Mitglied wissenschaftlicher Vereinigungen wie dem Arbeitskreis Europäische Integration, der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft und dem European Consortium for Political Research. 2012/13 moderierte er den Zukunftsdialog der Freistaaten Bayern und Sachsen. 2014 beriet er Myanmar bezüglich einer Verfassungsreform. Sturm ist Herausgeber von Schriftenreihen und Fachzeitschriften (Zeitschrift für Politik und Gesellschaft-Wirtschaft-Politik), Review Editor der Zeitschrift German Politics und Wissenschaftlichen Beirat von u. a. dem Jahrbuch Extremismus & Demokratie.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Roland Sturm aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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