Christian Stöcker: Männer, die die Welt verbrennen

Als vor vermutlich 160.000 Jahren unsere Vorfahren lernten, das Feuer zu beherrschen, war das ein großer Fortschritt. Man war nicht mehr der Kälte hilflos ausgesetzt und konnte Nahrung bekömmlicher und verdaulicher machen. Das Gehirn profitierte entsprechend, der Rest ist bekannt. Die Öllampen der Römer und ersten Leuchttürme der Griechen waren noch kein Umweltproblem. Kritisch wurde die Sache erst im 19. Jahrhundert, als Maschinen erfunden wurden, die die Produktivität um Potenzen steigerten und in denen man in großem Umfang erst Kohle und Öl, später Gas verbrannte. Aber nicht nur die Betreiber der Maschinen verdienten gut, sondern auch die Leute, die Kohleverbindungen aus dem Boden gruben oder pumpten. Daran hat sich bis heute nichts geändert, noch immer kann man mit Kohle und Erdöl eine Menge Geld verdienen. Seitdem jedoch bekannt ist, dass das beim Zeugsverbrennen entstehende CO2 die Wärmeabstrahlung der Erde behindert und sich die Erde immer mehr erwärmt, kommen diese Leute, fast nur Männer, unter Druck. Also muss man sich etwas einfallen lassen, mit dem man seine Geschäfte ohne Probleme weiter betreiben kann. Da gibt es aber doch Vorbilder für die Industrie der fossilen Brennstoffe. Denn die Tabakhersteller hatten ein ganz ähnliches Problem. Zwar wusste man, dass Rauchen der Gesundheit wenig zuträglich ist, aber es sollte doch möglich sein, die Leute davon abzulenken. Was bis heute hervorragend klappt.

Christian StöckerMänner, die die Welt verbrennen

Es geht Christian Stöcker nicht um die nächste Aufzählung, warum es zum Klimawandel kommt, was die Auswirkungen sind und noch sein werden. Das ist in schon so vielen Büchern im Detail beschrieben. Ihm geht es um die Männer, die die Welt verbrennen, denn Zeugsverbrennen ist ein ausgesprochen männliches Hobby. Sei es im Motor ihrer SUVs, zu Silvester jagen sie ein Monatsgehalt an Feuerwerk in die Luft, und Grillen war schon immer eine männliche Domäne. Es geht Stöcker in seinem Buch um die Männer, die hinter der fossilen Industrie stecken. Wie sie es immer noch schaffen, ihr Geschäft weiter zu betreiben, indem sie die offensichtlich umweltschonenden Alternativen zur Energieerzeugung, wie Wasserkraft, Wind und Sonne, möglichst effektiv torpedieren. Dazu dienen obskure Think Tanks und Verbände, Lobbygruppen und angeblich Expertenrunden. Die alle nur dazu dienen, das Geschäft mit fossilen Brennstoffen weiter einträglich und ungestört zu gestalten. Entgegen besserem Wissen, denn Firmen wie Exxon und Shell wissen schon seit den Siebziger Jahren, was das Kohlendioxid in der Atmosphäre anrichtet. Mit Ethik oder gar Moral haben die Jungs aber wenig am Hut, wichtiger ist es, weiter gutes Geld zu verdienen und Macht anzuhäufen. Das Buch beschreibt die Methoden und Tricks, mit denen das Geschäft am Laufen gehalten wird. Und die Verbindungen zwischen den Beteiligten.

Nun würde man an dieser Stelle zuerst an eben Exxon und Shell denken, doch das greift zu kurz. Wie viele Firmen und Einzelpersonen auf Gedeih und Verderb im Geschäft mit Öl und Kohle hängen, zeigt sich erst auf den zweiten und dritten Blick. Um die geht im Buch. Da wäre zum Beispiel Charles Koch. Er leitet das Öl- und Chemiekonsortium „Koch Industries“, das zweitgrößte Unternehmenskonglomerat in den USA in Privatbesitz. Die Liste der Lobbygruppen und Beratergremien, die er seit langer Zeit finanziert, ist lang. Diese Aktivitäten durchziehen die gesamte Industrie in der Welt, auch in Deutschland sind sie aktiv. Wie zum Beispiel im Verein „Die Familienunternehmer„. Wer dort ein paar Mittelständler erwartet, liegt komplett falsch, dort tummeln sich die reichsten Leute der Industrie. Immer bemüht, Steuern und Abgaben zu reduzieren und bloß nichts zu verändern. Die Fossilindustrie sitzt da natürlich mitten drin. Auf Charles Koch und Exxon stößt man immer und überall wieder. Doch die Linien gehen weiter. Wie viele Politiker mit der Öl- und Kohleindustrie verbandelt sind, von Jans Spahn und Sarah Wagenknecht über viele FDP-Politiker bis zum ehemaligen Außenminister und heutigem Bundespräsidenten Walter Steinmeier. Die Liberalen Rainer Brüderle und Philipp Rösler waren da besonders eifrig. Wenigstens Gerhard Schröder macht aus seinem Profit aus Russland keinen Hehl. Was Christian Stöcker da auflistet und vorführt, ist nicht nur interessant, sondern auch erschreckend. Wer da wo seine Finger drin hat und natürlich seine Dienste bestimmt nicht für lau anbietet.

Die Methoden der Verbrennungs-Fans entpuppen sich dann als die gleichen der Tabakindustrie. Verwirren, vernebeln, leugnen, desinformieren. Stöcker verfällt aber zum Glück nicht einen Investigativ-Journalismus, spart sich Empörung und Anklage. Er listet ganz nüchtern auf, zeigt die Verbindungen der Ölindustrie in die Wirtschaft und in die Politik ganz besonders. Fast alle diese Aktivitäten laufen weit unter der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Doch was sich da Politiker, nicht nur der FDP und der Union, an Parteilichkeit und Eigennutz leisten, ist schon ziemlich erschreckend. Stöcker sammelt keine Verschwörungserzählungen, Quellennachweise und Belege füllen ein Fünftel des Buches. Auf jeden Fall zeigt das Buch erschreckend deutlich, dass wir auf einem üblen Pfad sind, wenn wir weiter Politikern und Industriellen erlauben Zeugs zu verbrennen, weil sie daran so ungeheuer gut verdienen. Anstatt das Verbrennen aufzugeben und das zu nutzen, was uns Sonne, Wind und Schwerkraft schon immer kostenlos liefern: billige und umweltschonende Energie. Wir müssen nur wollen. Und diesen Scharlatanen das Handwerk legen, deren Machenschaften Christian Stöcker in seinem Buch offenbart.

Christian Stöcker (* 1. Februar 1973 in Würzburg) ist ein deutscher Journalist, Autor und Fachhochschul-Professor. […] 2007 veröffentlichte Stöcker sein erstes Sachbuch über «Second Life», 2011 erschien «Nerd Attack!», laut Untertitel „eine Geschichte der digitalen Welt vom C64 bis zu Twitter und Facebook“. Zusammen mit Ole Reißmann und Konrad Lischka stellte er 2012 im Buch «We are Anonymous» die weltweit agierende Internet-Bewegung Anonymous dar. Ab 2013 gehörte Stöcker beim Spiegel zu dem Team, das von Edward Snowden zur Verfügung gestellte Dokumente der NSA und anderer Geheimdienste auswertete und veröffentlichte. […] Bei „Spiegel Online“ hat Stöcker weiterhin eine wöchentliche Kolumne, die sonntags unter dem Titel Der Rationalist erscheint. 2020 erschien sein Buch «Das Experiment sind wir» über den Umgang der Menschheit mit den exponentiellen Veränderungen der großen Beschleunigung.[…] In seinem Buch «Männer, die die Welt verbrennen» (2024) zeigt Stöcker auf, welche internationalen Netzwerke hinter fossiler Energie- und Klima-Desinformation stecken und was das mit Petromaskulinität zu tun hat. Als Sachverständiger für Fragen des Einflusses von Digitalisierung und Algorithmen auf Öffentlichkeit, Journalismus und Chancengleichheit beriet er den Deutschen Bundestag, die Landtage von Thüringen und Schleswig-Holstein sowie die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ des Deutschen Bundestags.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Christian Stöcker aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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