Ein Ausflug in die Belletristik
Alle Gegenwehr gegen die schöngeistige Literatur hilft am Ende nichts, wenn man ein Buch in die Hand gedrückt bekommt und dann am Ende die Neugier überwiegt. Weil mir dieser Autor schon so oft untergekommen ist, weil ich sein Museum und sein Denkmal in der Dresdener Neustadt am Albertplatz so oft gesehen habe. Erich Kästner, wohl einer der bekanntesten Autoren der deutschen Geschichte. Emil und die Detektive, Pünktchen und Anton, eigentlich waren mir eher die Kinderbücher von Kästner geläufig. Offen gestanden wusste ich über Kästner eigentlich nicht wirklich etwas. Klaus Kordon ist eigentlich selbst Schriftsteller im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur. Er hat aber ebenso die Kästner-Biografie Die Zeit ist kaputt geschrieben, in der ich zum ersten Mal etwas über Erich Kästner in Details erfuhr. Kordons Darstellung Kästners ist deshalb so interessant, weil Kordon aus einer wohl überlegten Sicht an die Person Kästners heran geht. Er bleibt einerseits in einer gewissen Distanz zu diesem Sachsen, schildert aber sein Leben in einem ausbalancierten Mix aus geschichtlichen und persönlichen Stichpunkten. Er zeichnet dieses Bild von Kästner, der oft geradezu angefeindet wurde, weil er nicht in die Emigration flüchtete, ja sogar selbst zuschaute, als sein Bücher von den Nazis verbrannt wurden, neutral und zugleich mit Anerkennung.
Diese Vielschichtigkeit macht die Biografie Kästners aus der Sicht von Klaus Kordon in gewisser Weise zu einem Roman, mit Kästner als Hauptfigur. Fast könnte man sagen, Kordon nimmt Kästner als Musterbeispiel für eine Erzählart. Wenn man etwas über Erich Kästner erfahren will, ist Kordons Buch eine gute Chance für eine eben distanzierte und zugleich empathische Sichtweise.
Caroline Roeder schreibt in der taz über das Buch:
Das Stichwort Moralismus führte mich dann zu meinem ersten Werk von Kästner, Fabian. Der Untertitel des Buches führt direkt zur großen Frage, die das Werk stellt. Die Frage, wie man in einer Zeit, die heute als die Goldenen Zwanziger bezeichnet wird, inmitten von Unmoral und Wertlosigkeiten ein Leben führen kann, das von Werten und Moral geprägt ist. Fabian ist eine weitgehend lineare Geschichte, deren Gerüst die Menschen um den Propagandisten Jakob Fabian und die Zeit der ausgehenden Zwanziger bilden. Diese Zeit ist geprägt vom Zerfall, sowohl gesellschaftlich als auch politisch. Die Zeit des Nationalsozialismus steht bevor, erste Anzeichen auf den radikalen Wandel sind deutlich. Sowohl der Autor als auch seine Hauptfigur sind Moralisten, das heißt, sie gehen davon aus, dass die Handlungen der Menschen auf ethischen Prinzipien beruhen sollen, die ihrerseits auf bürgerlichen Freiheitsrechten und zwischenmenschlicher Solidarität gegründet sind. Doch was am Horizont absehbar ist, sind Totalitarismus, Nationalsozialismus und Kommunismus. Das Mittel, sich gegen diese Dinge zu wehren, ist für Fabian jedoch nicht der erhobene Zeigefinger, sondern vor allem die Ironie. Deutlich kann man Kästners Philosophie, die Welt sei nicht gänzlich zu bessern, erkennen.
Obwohl die Geschichte streckenweise schwer verständlich und schwer zu deuten ist, ist Fabian unverhüllt ein Alter Ego des Autors Erich Kästner. Viele Einzelheiten aus Kästners Leben finden sich wieder, die Beziehung zur Mutter, die Unsichtbarkeit des Vaters, das Leben im Zentrum der Unmoral, Berlin. Die Schwierigkeit, in Zeiten der Unmoral Moralist zu bleiben. Das Ende der Geschichte weist dann direkt auf die Grundfrage hin, nämlich, was der Moralist am Ende bewirkt. Was mir jedoch Spaß machte, ist weniger die Geschichte an sich, die diese Zeit in Deutschland ins Gedächtnis zurück ruft. Es ist die Sprache Kästners, wie er Bilder von Personen zeichnet, wie er mit Sprache umgeht. Kästner kann, wie wenige Autoren, mit Sprache Bilder malen. So füllt sich das Buch mit Passagen, die in jeder Sammlung von Aphorismen ihren Platz haben müssten.
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