Thilo Bode: Die Essensfälscher

Thilo Bode: Die Essensfälscher

Thilo Bode: Die Essensfälscher

Noch ein Buch übers Essen. Also etwas Ähnliches wie dieses hier, aber aus einer anderen Perspektive. Was macht man, wenn ein Markt völlig gesättigt ist, wie steigert man trotzdem noch seine Umsätze? Das erste Semester in Marketing lehrt als Antwort, dass man dem Mitbewerb Kunden abspenstig machen muss. Oder neue Märkte schaffen. Genau so machen das Nestlé, PepsiCo oder Dr. Oetker. Davon, wie die Lebensmittelkonzerne ihre Umsätze immer noch steigern, dazu den Verbraucher täuschen und belügen, schummeln und tricksen, darum geht es im Buch von Thilo Bode, Mitbegründer der Organisation foodwatch. Ganz neu ist das Buch nicht, es stammt aus 2010, doch die Methoden der Essensfälscher sind immer noch die gleichen, leider. Mit solchen zuständigen Leuten wie Julia Klöckner, aktuell Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, die es schafft, alle Veränderungen zugunsten der Konsumenten zu verhindern, wird das noch lange so bleiben. Die erfolgreich unterstützt, dass uns die Lebensmittelproduzenten mit noch mehr Zucker, noch mehr Aromen und Geschmacksverstärkern bei der Stange halten. Genau gegen diese offene und versteckte Lobby schreibt Thilo Bode an. Man kann es plakativ nennen, oder ehrlich.

Doch gab es schon seit den Achtzigern des letzten Jahrhunderts Gegenbewegungen, mit denen neben den Supermärkten kleine Läden wieder kamen, die nicht vergiftete, naturnahe und nachhaltig erzeugte Lebensmittel anboten. Bis dann die auf ständiges Wachstum fixierten Nahrungsmultis auch dieses Feld für sich entdeckten. Heute haben selbst die Discounter ein properes Angebot an tatsächlichem oder für als solches erklärtem Essen. Wenn man denn Kartoffeln aus Ägypten oder Spargel im August aus Israel für ökologisch und nachhaltig hält. Warum die horrende und immer weiter zunehmende Zahl von Kindern und Erwachsenen mit Übergewicht bis zur Fettleibigkeit? Das sind natürlich alles undisziplinierte Menschen, die sich nicht am Riemen reißen können. Aber so einfach ist die Sache nicht. Der Sache viel näher kommt Thilo Bode in diesem Buch. Teils erschreckend, teils belustigend.

Natürlich hat Bode aus eigener Erfahrung und durch den Zugriff auf die Leute bei foodwatch eine sehr detaillierte Sicht. Tatsächlich ist der wichtigste Motor hinter dem Treiben der Lebensmittelindustrie das hoch gelobte und oft gepriesene Wachstum. In einem schon übersättigten Markt – wer braucht die Auswahl aus 47 Joghurtsorten – gibt es mehrere Stellschrauben, mit denen das erreicht werden kann. Neben dem Gewinnen neuer Kunden, sei es mit leeren oder gelogenen Slogans wie „Verbesserte Rezeptur“ oder „Noch cremiger“, sind die Kosten ein wichtiger Faktor. Da wird aus Pflanzeneiweiß, Aromen und Geschmacksverstärkern aus chinesischer Produktion ein Käseimitat gemixt. Wirklichem Käse ähnlich, dafür deutlich billiger und verbrennt nicht so schnell. Win-Win für Hersteller und Pizzabäcker. Da wird mit künstlichen und „natürlichen“ Aromen aus Schimmelpilzen und Holzabfall Geschmack erzeugt, Erdbeerjoghurts, in dem nur noch 1,5% Erdbeeren stecken, wenn überhaupt. Noch mehr Zucker, noch mehr Salz, von den so genannten Light-Produkten ganz zu schweigen. Früchtetee, der gar keine Früchte enthält, dafür wenigstens synthetische Zitronensäure, die den Zahnschmelz von Kindern stark schädigt.

Nächster Arbeitsbereich ist die Werbung. Schokoriegel oder Müsli mit 37% Zuckergehalt mit Sammelbildern, mit Bildern der Stars und Idole der Kinder und Jugendlichen, ein Fußball für 50 geleerte Nutella-Gläser. So erzieht man schon Kinder für den gezielten Kauf bestimmter Produkte. Nämlich genau die, die eh schon mit Fett und Zucker gesättigt sind und aus den Kindern kleine Fettleibige machen. Oder prägt die Kinder gleich auf industrialisierte Geschmäcker mit Hefeextrakt und Glutamat. Selbst im Hochpreissegment macht die Methode nicht halt. Angebliche Gourmet-Marken, die sich vom Discounterprodukt nur durch die Verpackung und den Preis unterscheiden. Wie die Suppe, die der Starkoch Lafer anpreist, die sich aber von der Tütensuppe nur durch Verpackung und „Zubereitung“ unterscheidet. Dafür hat Papa nach dem Leeren eines Kastens Bier das gute Gefühl, einen Quadratmeter Regelwald geschützt zu haben. Wo in jeder Sekunde acht Quadratmeter verschwinden.

Wenn man Bodes Buch liest, hat man als Konsument mit etwas Bewusstsein für Essen und Ernährung oft den Gedanken, dass man das eigentlich weiß, aber auch gerne verdrängt. Die Methoden und Konsequenzen dieser Verbrechen am Essen schildert Bode nicht reißerisch, sondern auf Basis von Zahlen und Fakten, mit konkreten Beispielen aus dem Alltag. Wie sein Liebling, der Schwarzwälder Schinken, für den Schweine in Niedersachsen und den Niederlanden sterben mussten. Alles Dinge, die man mit wenig Nachdenken erkennt. Die endlose Liste von Nahrungsimitaten, die Tricks und Lügen, die kleinen und großen Wortverdrehungen. Erzeugt von einer Industrie, die um den Schaden ihres Handelns weiß, aber die sich gegen Regulierungen mit Händen und Füßen wehrt, stattdessen von freiwilligen Selbstverpflichtungen faselt.

Das Buch gehört eigentlich in den Schulunterricht, damit schon Kinder wissen, dass der kleine Pausensnack mehr Zucker und Fett enthält als ein Stück Sahnetorte. Es sind keine Geheimnisse, die Bode präsentiert oder enthüllt. Man kann es beliebig nachlesen, bei foodwatch, bei Verbraucherverbänden, im Magazin ÖKO-TESTes sind keine verdeckten Verschwörungen. Man braucht nur genauer hinzusehen und zu überlegen, was das Motto bei EDEKA, „Wir lieben Lebensmittel“, mit den realen Waren im Laden zu tun hat. Genau diesen Schritt macht Thilo Bode mit diesem Buch. Wer etwas mehr wissen will, was wir essen, wie unser Essen entsteht und warum, ist bei diesem Buch genau richtig.

Noch nie waren Lebensmittel so gut wie heute? Von wegen! Thilo Bode, Gründer der Verbraucherorganisation foodwatch, seziert die ausgebufften Strategien der Lebensmittelkonzerne. „Fitness“-Produkte? Machen nicht fit, sondern fett. – Der traditionell und regional hergestellte Schwarzwälder Schinken? Stammt tatsächlich aus Massentierhaltung und kommt aus ganz Europa. – „Gesunde“ Kinderprodukte? Versteckte Zuckerbomben. – Bio-Apfelgetränke? Haben noch nie einen Apfel gesehen … diese haarsträubenden Täuschungsmanöver haben System. Die Nahrungsmittelkonzerne sind an die Grenzen ihrer Wachstumsmöglichkeiten gestoßen. Also drehen sie uns mit milliardenschweren Werbe-Etats nur vermeintlich neue und bessere Produkte an. Diese gaukeln jedoch Qualität lediglich vor und gefährden zudem oft genug unsere Gesundheit. Bode nimmt Artikel ins Visier, die wir alle kennen – und er nennt Ross und Reiter. Somit dient dieses Buch auch als Anleitung, die unlauteren Praktiken der Nahrungsmittelkonzerne zu boykottieren. (Klappentext Fischer-Verlag)

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