Matthias Pöhlmann: Rechte Esoterik

Wenn man über dieses Buch schreiben will, muss man das bereits öfter eingebrachte Bild wiederholen: Corona-Leugner, Verschwörungsgläubige, Rechtsextremisten bis hin zu Reichsbürgern im Gleichschritt in Berlin, Leipzig oder Konstanz. Matthias Pöhlmanns Buch „Rechte Esoterik“ ist nicht das erste, das sich ausführlich mit diesem Bild beschäftigt und fragt, wie so unterschiedliche Interessenslagen da zusammen marschieren können. Das hatte schon Sven Reichardt getan, wenn auch mehr aus einer wissenschaftlichen Perspektive. Doch kommt Pöhlmann nicht zu anderen Schlüssen oder Interpretationen als die Sozialwissenschaftler aus Konstanz. Es scheint Pöhlmann auch nicht um eine letztendliche Erklärung zu gehen, noch zu möglichen Gegenmaßnahmen. Pöhlmann ist zuerst einmal Theologe, ihm liegt mehr an einer Haltung und Positionierung, was im letzten Kapitel des Buches zum Ausdruck kommt. Der Weg dahin ist etwas steinig, kann man aber so machen. Es hat auf jeden Fall den Vorteil, dass er so den historischen Wurzeln sowohl der Esoterik als auch des Rechtsextremismus nach geht.

Matthias PöhlmannRechte Esoterik

Damit gelingt es ihm zu zeigen, dass Esoterik und Rechtsextremismus ursprünglich nicht zu trennen waren. Rechtsextremismus war immer mit Verschwörungsmythen und Phantastereien aufgeladen, man denke nur an die synthetische Mystik der SS, der nationalsozialistischen Bünde und Gemeinschaften, an Arier und Germanentum, Reichsflugscheiben und keltische Symbolik. Erklären kann Pöhlmann letztendlich nicht. Aber aufzeigen kann er, dass die beiden scheinbar so unterschiedlichen Gruppen schon lange zusammen gehören. Der Kitt, den im Grunde alle diese Gruppen brauchen, von Reichsbürgern bis zu Impfgegnern, ist auch der, der diese Gruppen am Ende eint. Verschwörungsmythen, Schwarz-Weiß-Denken, die felsenfeste Überzeugung, im Besitz der einzigen und unumstößlichen Wahrheit zu sein. Gepaart mit einem tiefen Misstrauen gegenüber staatlichen Instanzen und Medien, Wissenschaftlern des von ihnen so genannten Mainstreams und von verachteten Schulmedizinern. Während Corona-Leugner und Esoteriker des New Age-Zeitalters eine eher neue Erfindung sind, war der Rechtsextremismus immer esoterisch orientiert. Wenn nicht die Esoterik sogar ein Grundpfeiler des Nationalsozialismus und seiner Vorläufer bildet. Damit war der Weg zu einem gemeinsamen Auftritt nicht weit. Nun ist diese Erkenntnis weder völlig neu noch überraschend. Was zu der Frage berechtigt, ob dieses Buch dann noch etwas Neues bietet.

Das tut es auf einer ganz anderen Seite. Pöhlmann zeichnet ausgiebig die historischen und ideologischen Wurzeln nach, aus denen sowohl Rechtsextreme als auch Esoteriker stammen. Vom Anfang des 20. Jahrhunderts und früher bis in die Gegenwart. Wer Strömungen initiiert hat, welche Glaubenssätze dahinter stehen, wie Gruppen untereinander bezogen sind. Vom Erfinder der Neuen Germanischen Medizin, dem Anastasiakult bis zu Michael Ballweg und Sucharit Bhakdi. Man könnte dann diskutieren, wie die Sache mit Henne und Ei, was denn eher da gewesen ist. Die Esoterik oder der Rechtsextremismus. Auch die Behauptung, die Esoterik sei zuerst unpolitisch gewesen, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als falsch. Es ging dort immer um Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus. Nur so konnte sich der Schulterschluss mit Nazis und Reichsbürgern anbieten, weil die scheinbar separaten Bewegungen im Grunde immer zusammen gehörten.

Pöhlmanns Sicht auf diese unheilige Allianz ist damit eine überwiegend historische, obwohl sich politische und soziale Aspekte naturgemäß nicht umgehen lassen. Im Vordergrund steht die Information, nicht die Deutung. Am Ende des Buches war ich dann doch deutlich besser über Hintergründe, Historie und Inhalte im Bilde. Ein Buch zum Vertiefen des Verständnisses in jedem Fall. Lustige Begebenheit am Rande: Im Buch kommt auch die Wewelsburg vor, die gleich hier um die Ecke von meiner Wohnung liegt. Weil im Nordturm im Obersturmbannführer-Saal die Schwarze Sonne der SS als Intarsienarbeit noch heute zu sehen ist. Plastisches Beispiel für die Untrennbarkeit von Esoterik und Rechtsextremismus.

Nach dem Abitur 1983 in Bamberg studierte Matthias Pöhlmann von 1983 bis 1989 Evangelische Theologie in Erlangen, Heidelberg und München. […]  2010 und 2011 war Pöhlmann Lehrbeauftragter für Missions- und Religionswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie für Konfessionskunde an der Universität Leipzig. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Gemeindepfarrer an der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Germering berief ihn 2014 der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zum Landeskirchlichen Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen mit Dienstsitz in München. Seit 2011 ist Pöhlmann Vorsitzender des Ausschusses „Religiöse Gemeinschaften“ der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der im Herbst 2015 das „Handbuch Weltanschauungen, Religiöse Gemeinschaften, Freikirchen“ veröffentlicht hat. Von Mai 2015 bis Mai 2021 war er Vorsitzender der Konferenz der Landeskirchlichen Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit 2015 veranstaltet er gemeinsam mit einem Team im Herbst die jährliche Tagungsreihe „Weltanschauungen im Gespräch“ im Wildbad Rothenburg. Seit 2020 ist Pöhlmann Lehrbeauftragter für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Matthias Pöhlmann aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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