Andreas Dörner: Fernsehen in Deutschland

Weder geht es um die Geschichte des Fernsehens, noch um technische Hintergründe. Das Buch von Andreas Dörner beschäftigt sich mit der inhaltlichen, speziell politischen Rolle des Fernsehens. So ist es weniger der allgemeinen Literatur zuzuordnen, sondern eher ein journalistisches Lehrbuch. In meiner journalistischen Ausbildung im Rundfunk-Journalismus hätte mir ein solch tiefgehendes und umfangreiches Buch zum Thema gewünscht. Dörner beginnt mit der Struktur der Sender und ihrer Organisation, sowohl im Innen- wie im Außenverhältnis. Warum wir zwei öffentlich-rechtliche Fernsehsender haben, wie das privatrechtliche Fernsehen dazu kam, wer welchen Ansprüchen gerecht werden muss, wie die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen sind. Quervergleiche zu Sendern in Europa und den USA erweitern das Bild. Danach beschäftigt sich Dörner mit den vielen unterschiedlichen Formaten im Fernsehen, angefangen bei Nachrichten, Reportagen und Magazinen bis hin zu Satire und Kabarett, weiter zu Reality-TV und Casting-Shows. Praktische Beispiele eingeschlossen. Das übergeordnete Thema ist der politische Auftrag und Inhalt des Fernsehens, wie vom Gesetzgeber vorgesehen und dann in der Praxis umgesetzt. Eines macht der Autor in jedem Fall klar: Totgesagte leben länger.

Andreas DörnerFernsehen in Deutschland

Gerade durch die Entwicklung der Massenmedien in der Weimarer Republik und besonders im Nationalsozialismus war mit dem Beginn der Bundesrepublik Deutschland eine neue Orientierung notwendig. Vorbild für die ersten Fernsehsender in Deutschland war die britische BBC, erstmals repräsentiert durch den Nordwestdeutschen Rundfunk. Rundfunk sollte staatsfern, politisch neutral, pluralistisch und parteiunabhängig sein. Sollte Information, Bildung und Unterhaltung liefern. Doch wie weit konnte dieses Ideal eingehalten werden? Sind Nachrichten und Reportagen immer neutral? Welche politischen Aussagen stecken heute in „Big Brother“ und „Hartz und ehrlich“? Wie wirkt sich die schnodderige und respektlose Art aus, mit der die „heute show“ mit dem politischen Alltag umgeht? Dörner geht sehr tief in Einzelheiten, analysiert Konstruktion, Aussagen, Wirkungen und Einflüsse. Eines der letzten Lagerfeuer vor dem Bildschirm, der „Tatort“, bekommt viel Raum und Aufmerksamkeit. Beinahe sind diese Detailbetrachtungen sogar Highlights des Buches. Dabei ergeben sich erstaunliche Erkenntnisse. Man könnte die Reality-Formate der Privaten, gerne als Trash TV bezeichnet, einfach nur als Shows zur Befriedigung primitiver Bedürfnisse interpretieren. Oder unterhaltende Serien bis hin zum „Bergdoktor“ als puren Zeitvertreib. Doch in Wirklichkeit steckt hinter vielen Formaten weit mehr, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Fernsehe ist und war immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. In sehr unterschiedlicher Weise.

Zwar geht Dörner die Sache ausschließlich aus journalistischen Gesichtspunkten an, doch die daraus resultierenden Erkenntnisse sind keineswegs nur für Journalismus-Schüler interessant. Sondern auch für alle, die einen genaueren Blick hinter die Kulissen werfen möchten. Sie schaffen einen ganz anderen und ungewohnten Blick auf das, was sich in Jahrzehnten entwickelt hat. Dabei kommt der Autor immer wieder auf das zentrale Thema zurück, wie nämlich die politische Rolle und Wirkung des Fernsehens ist. Zum Schluss widmet er sich noch den ganz aktuellen Entwicklungen, Zukunft und Bedeutung des linearen Fernsehens, dem Übergang vom Fernsehen zum digitalen Bewegtbildmarkt mit YouTube und Vimeo, und nicht zuletzt, wie sich Öffentlichkeit in ihrer Struktur verändert. Was Einfluss auf den Rundfunk insgesamt hat. Das Buch ist somit eine wohl vollständige und weitreichende Analyse politischer Kommunikation durch Medien und des Mediengebrauchs. Somit eine interessante Übersicht für diejenigen, die mehr über Fernsehen in seiner politischen Wirkung wissen möchten. Und was „Charité“ und „Babylon Berlin“ verbindet und unterscheidet. Nach meinem Dafürhalten ist das Buch geradezu Pflichtlektüre für jeden Fernsehfan.

Andreas Dörner (* 15. Dezember 1960 in  Wattenscheid) ist ein deutscher Medienwissenschaftler. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften und Germanistik war er von 1989 bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Essen. Nach der Promotion 1994 war er von 1994 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Nach der Habilitation 1999 zum Dr. habil. (Privatdozent für das Fach Politikwissenschaft an der Universität Magdeburg) ist er seit 2004 Professor für Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Fernsehen als politisches Medium, politische Kommunikation: Wahlkämpfe, Medienkultur und politische Kultur und Unterhaltungskultur.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Andreas Dörner aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert