Joachim Bauer: Fühlen, was die Welt fühlt

Joachim Bauer: Fühlen, was die Welt fühlt

Joachim Bauer: Fühlen, was die Welt fühlt

Wenn wir nicht zurück kehren zu einer Empathie für die Natur, haben wir keine Chance, den ökologischen Kollaps zu verhindern. Schreibt der Internist, Psychiater und psychosomatische Mediziner Joachim Bauer in seinem Buch Fühlen, was die Welt fühlt aus 2020. Er ist emeritierter Universitätsprofessor an der Universität Freiburg, im Bereich Psychoneuroimmunologie tätig. Mit der Vernunft allein kämen wir nicht weiter, es brauche viel mehr einen „Empathischen Impuls“. Das klingt erst einmal ein wenig esoterisch, aber Bauer ist Wissenschaftler, kein Heiler mit dem Pendel. Jedoch versucht Bauer zu ergründen, warum es so weit gekommen ist, dass der Mensch sich quasi den Ast absägt, auf dem er sitzt. Er führt es auf einen Verlust einer emotionalen Bindung zwischen Mensch und Natur zurück. Entstanden sei dieser Bruch zu einem sehr lange zurück liegenden Zeitpunkt, nämlich mit der neolithischen Revolution, dem Sesshaftwerden des Menschen vor rund 12.000 Jahren. Während der Mensch als Jäger und Sammler in einer holistischen, ganzheitlichen Welt lebte, wurde die Natur mit Ackerbau und Viehzucht zu einem Gebrauchsobjekt. Bei indigenen Völkern, die es zum Glück noch gibt, ist diese Einheit, diese Beziehung zur Natur noch zu finden. Aber warum haben die Menschen sie mit dem Übergang zur Landwirtschaft verloren?

Unter dem Begriff der Empathie versteht man die Fähigkeit, sich in Emotionen, Gedanken und Motive anderer Menschen hinein zu versetzen. Im weitesten Sinne als mitzufühlen. Diese Fähigkeit ist nicht angeboren, sie ist in uns aber angelegt und wird erst innerhalb einer Kultur erworben. Darüber entspannt Bauer einen Bogen zum Verhältnis von Mensch und Natur über den Verlauf der Evolution. Demnach ist Empathie nicht auf andere Menschen beschränkt, sondern auch zu Tieren oder eben der Natur möglich. Doch mit dem Übergang von einem Jäger als Teil der Natur zum Bauern als Nutzer der Natur setzte der „zivilisatorische Furor unserer Spezies“ ein, verlor sich die empathische Beziehung, so Bauer. Wenn wir nicht zu diesem Verhältnis zurück kommen, bestehe auch keine Chance zur Bewältigung der ökologischen Krise. Der Mensch als Teil der Natur wird zum Feind der Natur.

Bauer kommt im Laufe der Betrachtungen zu einer sehr treffenden Analyse der heutigen Welt, zu Hass und Gewalt gerade bei jungen Männern, zur Isolation und Orientierungslosigkeit speziell der urbanen Bewohner, zur Wirkung der sozialen Medien, die er Empathiekiller nennt. Tiefer geht er auch darauf ein, was geschieht, wenn sich der Mensch wenigstens wieder der Natur nähert, Zeit in den Wäldern verbringt, die Schönheiten der Natur wahrnimmt, überhaupt wieder Freude an der Natur empfindet und das Smartphone beiseite legt. Esoterisch ist das nicht, immer öfter empfehlen Mediziner und Psychologen ihren Patienten, wieder mehr Zeit in der Natur zu verbringen und dort abzuschalten, anstatt durch Einkaufszentren zu pilgern und vor der Glotze abzuhängen. So kommt er am Schluss zu greifbaren Empfehlungen, was wir tun müssten: Mobilität vermindern, nachhaltig konsumieren, vegetarisch leben. Nur kann das der einzelne Mensch nicht erreichen, sondern gemeinsames Handeln aller Menschen ist notwendig. Bei der aktuellen Spaltung der Gesellschaften kein leichtes Unterfangen. Wo doch auch die Empathie unter den Menschen auf dem Rückzug ist.

Bauers Betrachtung der Empathie zur Natur ist am Ende etwas einseitig, auf die zunehmenden sozialen Spannungen geht er nicht ein. Wie und warum Empathie in Gruppen stattfindet, wie Identitäten und Orientierungen entstehen, wie und warum Gruppen in einer Kultur funktionieren, das nimmt den größten Raum ein. Diese psychologischen und gesellschaftlichen Sichten auf den Homo Sapiens, früher und heute, machen den Reiz des Buches aus. Ob in der heutigen hoch differenzierten Gesellschaft, der „Kultur der Singularitäten“, wie es sie nennt, noch so etwas wie eine verbindende Empathie zur Natur möglich ist, bleibt fraglich. Unrecht hat Joachim Bauer nicht. Aber es bleibt schwierig.

Die Welt ist im Wandel. Ereignisse wie die Corona-Pandemie, nur ein Aspekt einer größeren ökologischen Krise, führen uns die Verletzlichkeit des Menschen vor Augen und machen Angst. Sie lassen uns aber auch Zusammenhalt spüren, die tief verankerte Sozialität des Menschen. Wir nennen dieses Gefühl Empathie. Sie ist der Kern unseres Wesens und einer Kultur der Gemeinschaft. In seinem neuen Buch erläutert der Bestsellerautor und preisgekrönte Wissenschaftler Joachim Bauer, wie die Empathie in uns angelegt ist und warum sie die Lösung gesellschaftlicher und globaler Probleme darstellt. Wir haben im Laufe der jüngeren Menschheitsgeschichte auch verlernt, mit der Welt zu fühlen. Wir müssen diese Fähigkeit wiederentdecken, um den aktuellen Herausforderungen begegnen zu können. (Klappentext Blessing-Verlag)

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