Nikolaus Jackob et. al.: Medienvertrauen in Deutschland

Spätestens seit den PEGIDA-Aufmärschen in Dresden kursiert der Begriff der Lügenpresse wieder. Die Medien und die Politik würden unter einer Decke stecken, als Repräsentanten der „Eliten“. Doch was ist dran an den Diskussionen, die Medien würden kein Vertrauen mehr verdienen, seien korrupt und würden die Wahrheit verschweigen? Glaubt tatsächlich eine Mehrheit in Deutschland an diese Zuschreibungen? Die Mainzer Langzeitstudie zu diesen Fragen beschäftigt sich genau mit diesem Thema des Medienvertrauens. Doch wenn man „Medien“ sagt, kann man viele Ausprägungen meinen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, etablierte Presse, Boulevard wie BILD und BUNTE, privates Fernsehen bis hin zu Sozialen Medien und den sogenannten Alternativen Medien a’la «Compact» und «KenFM». Welche davon für vertrauenswürdig gehalten werden, hängt von mehreren Faktoren ab, angefangen von der eigenen politischen Position, der privaten wirtschaftlichen Lage, den persönlichen Zukunftsaussichten bis zur jeweiligen Alterskohorte. Doch ist von einer Studie die Rede, nicht von einer redaktionellen Abarbeitung am Thema. Also mal wieder Zahlen und Fakten, Balken- und Liniendiagramme. Doch zum Glück nicht nur.

So teilt sich das Buch in drei Teile. Zuerst ein kürzeres Kapitel mit Definitionen der verwendeten Begriffe, gefolgt vom zentralen Teil mit den Ergebnissen der Studie. Den Abschluss bildet eine Art Fazit, wie die Medien wieder mehr Vertrauen aufbauen können. In der Tat verbirgt sich hinter dem Wort Medien eine ganze Phalanx von Produkten. Doch wird der Grad an Vertrauen gegenüber Radio und Fernsehen, Presse und Internet noch von weiteren Einflüssen geprägt. Eben nicht nur vom Alter, sondern wie erwartet vom Grad der formalen Bildung und der gesellschaftlichen Position. Nach eben diesen Aspekten wird die Studie bis ins Detail aufgedröselt. Und die Ergebnisse sind zu einem erheblichen Teil interessant bis überraschend. So genießt gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk, als Radio und als Fernsehen, immer noch das meiste Vertrauen bei der Mehrheit der Befragten. Gefolgt von den klassischen informativen und meinungsbildenden Formaten wie deutschlandweite Presse, namentlich «ZEIT» und «Süddeutsche Zeitung». Wobei der Begriff Medien noch weitere Differenzierung erfordert. Einerseits eben die, die der Information dienen, auf der anderen Seite unterhaltende Formate wie das Privatfernsehen. Selbst die BILD-Zeitung ist eher ein unterhaltendes Medium, auch wenn scheinbar politische und gesellschaftliche Themen präsentiert werden. Doch der Sportteil und die Klatschnachrichten sind eher das Metier solcher Zeitungen.

Überraschend fand ich zum Teil kleine Einzelergebnisse. So beantworteten von den 1.200 Befragten die Frage, wie oft sie in Online-Medien Kommentare abgeben würden, fast 1.100 mit „nie“ oder „sehr selten“. Lediglich knapp 80 Leute taten das öfter. Da man aus anderen Untersuchungen inzwischen weiß, dass Leute mit rechtspopulistischen bis rechtsextremen Meinungen die Kommentarseiten dominieren, wundert einen der hanebüchene Unsinn in den Kommentaren bei «SPIEGEL» oder in Facebook gar nicht mehr. Das Wort von der „Looking-glass perspective“ passt also bestens. Ein radikale Minderheit treibt eine schweigende Mehrheit vor sich her. Doch auch das Gesamtergebnis der Studie erstaunt. Im Gegensatz zu den Diskussionen über eine Vertrauenskrise bei Medien ist für eine große Mehrheit die zuverlässigste Quelle immer noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Und eben die seriöse Presse. Der Anteil der Menschen, die tatsächlich Alternativen Medien und Sozialen Medien mehr Vertrauen schenken, ist eine deutliche Minderheit. Die so breit diskutierte Vertrauenskrise in der Medienwelt ist also eher ein Scheinriese. So sagen es die Zahlen der Studie.

Noch eine interessante Sache ist die Entwicklung in der Corona-Krise. Denn die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien in 2020 sank nicht, sondern stieg. In Krisenzeiten, so die Schlussfolgerung, wenden sich Menschen wieder den bekannten und bewährten Medien zu. Zugleich fassen die Autoren im Schlusswort zusammen, was die Medien tun müssten, um das zugewonnene Vertrauen zu bestärken und auszubauen. Und liegen vermutlich damit sehr richtig. Natürlich geht das Buch tief in die Einzelheiten, ist trotzdem, oder gerade deswegen, sehr interessant und bleibt immer lesbar und informativ. Deshalb eine Empfehlung für dieses Buch bei allen, die „irgendwas mit Medien“ zu tun haben.

Die Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen erforscht die Ursachen, Entwicklungen und Folgen von Vertrauen in öffentliche Kommunikation in Deutschland. Sie basiert auf jährlich wiederkehrenden repräsentativen Befragungen der deutschen Bevölkerung. Seit 2015 wird die Studie alljährlich mit zumeist 1200 Telefoninterviews durchgeführt. Die Mainzer Langzeitstudie zielt auf dauerhaftes Vertrauensmonitoring für Deutschland ab. Für die Erklärung der Entwicklungen des Medienvertrauens werden kommunikationswissenschaftliche und politikwissenschaftliche, soziologische und psychologische Theorien auf Mikro- (Individuum), Meso-(Institutionen) und Makro-Ebene (Gesellschaft) integriert. Zentrale Ziele der Studie sind neben aktuellen Momentaufnahmen den Zustandes des Vertrauens in die Medien und andere Institutionen insbesondere auch die Erforschung langfristiger Entwicklungen. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Erklärungsmustern und Kausalanalysen für das Entstehen von Vertrauen und Misstrauen sowie speziell Skepsis und Zynismus in der öffentlichen Kommunikation, die verschiedene Mediengattungen differenziert betrachten. […] Im Jahr 2015 nahm kam insbesondere unter dem Schlagwort „Lügenpresse“ zunehmend Kritik an der Glaubwürdigkeit der Medien auf, vor allem am öffentlich-rechtlichen Rundfunk und etablierten Zeitungen und Zeitschriften. Gegenstände der Kritik waren subjektiv wahrgenommene Parteilichkeit, Verzerrungen und tendenziöse Wertungen in der Berichterstattung sowie einseitige Darstellungen in der Flüchtlingskrise des Jahres 2015. In der Folge wurde in der Öffentlichkeit ein Vertrauensverlust der Bürger in die etablierten Medien diagnostiziert, zu dem allerdings nur wenige wissenschaftlich belastbare Untersuchungen vorlagen. Angesichts der zentralen Rolle des Vertrauens der Bürger in die tragenden Institutionen der Demokratie, wurde ein zunehmender Bedarf an langfristig angelegter Vertrauensforschung erkennbar.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

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