Luciano Rezzolla: Die unwiderstehliche Anziehung der Schwerkraft

Ich habe einen Moment nachdenken müssen, warum mir der Titel des Buches so bekannt vorkam. Es ist der verballhornte Name des Monty Python-Films »Die wunderbare Welt der Schwerkraft«. Mit Sketchen oder Satire hat das Buch jedoch nichts zu tun. Es erhebt nämlich den Anspruch, auch physikalisch und mathematisch wenig vorbelasteten Lesern den Wirkungskreis der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie vorzustellen. Es geht um Neutronensterne, Schwarze Löcher und weitere Phänomene wie Gravitationswellen. Kompetenz kann man Luciano Rezzolla bestimmt nicht absprechen. Der in Deutschland forschende und lehrende Astrophysiker gehörte zu den Ersten, denen es gelang, fotografische Bilder eines supermassiven Schwarzen Lochs zu erstellen. Wie das ging, ist im Buch ausführlich beschrieben. Nun hat Charlie Chaplin bei einem Pressetermin zu Albert Einstein gesagt, die Menschen liebten ihn, weil alle verstehen, was er macht. Während sie Einstein liebten, weil sie nichts von dem verstehen, was er macht. An diesem Punkt war ich auch, wollte aber immer gerne wissen, was Ereignishorizont, Raumzeit und Gravitation eigentlich sind. So war ich gespannt, ob das Buch hält, was der Autor verspricht.

Nun bin ich, was Mathematik und Physik angeht, durch das Studium einer Ingenieurwissenschaft nicht ganz unvorbelastet. Also sollte das wohl gehen. Didaktisch passend beginnt Rezzolla mit den historischen Grundlagen der Forschung im Sektor Gravitation. Bei Galileo Galilei und Isaac Newton. Aber auch bei der Art und Weise, wie der Mensch Schwerkraft erfährt, wie sie ihm quasi in die Gene geschrieben ist. So verbreitete der italienische Arzt Ernst Moro nicht nur die nach ihm benannte Möhrensuppe gegen Darminfektionen, sondern er beobachtete auch einen angeborenen Reflex bei Säuglingen. Bekommen sie das Gefühl zu fallen, klammern sie sich automatisch fest, schon sofort nach der Geburt. Doch erstmals genauer erklären konnte die Gesetze dieser Schwerkraft und die Wechselwirkungen zwischen Massen eben erst Isaac Newton. Erst 1915 stellte Albert Einstein eine neue Theorie vor, die noch immer bestehende Ungereimtheiten auflöste. Einsteins Theorie fand zuerst nur geringe Aufmerksamkeit, sie war ein theoretisches Gedankengebäude, das sich experimenteller Überprüfung entzog. Aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde diese Relativitätstheorie erst in den Sechziger Jahren, als Beobachtungen von Sternen und Galaxien von Astronomen, ermöglicht durch neue Technologien, mit den alten Gesetzen von Newton nicht mehr erklärbar waren. Einstein jedoch hatte alle diese Effekte bereits vor langer Zeit vorausgesagt. Erst so bekamen Einsteins Theorien die heutige Aufmerksamkeit.

Im Folgenden geht um genau diese geheimnisvollen Phänomene und Erscheinungen, die wir erst erkunden können, seit es Teleskope im Radio- und Gammawellenbereich gibt, Supercomputer für hochkomplexe Simulationen und den weltweiten Austausch unter Wissenschaftlern. Es geht eben darum, wie Neutronensterne entstehen und welche Eigenschaften sie haben, was Schwarze Löcher sind, wieso man sie erst in den letzten Jahren sichtbar machen konnte und wie das gelang. Ein ganz wesentliches Thema ist dabei die Gravitation, was sie nun wirklich ist und wie sie zustande kommt. Die Raumzeit und ihre Krümmung durch Massen werden ausgiebig behandelt und erklärt. Das letzte Kapitel sind dann die Gravitationswellen, die erst im September 2015 tatsächlich gemessen werden konnten. Dass dies alles so schwierige Themen sind, liegt auch daran, dass unsere Erfahrungswelt auf die eher gelinden Auswirkungen von Gravitation, Masse und Zeit beschränkt sind. Was sich da draußen im Weltall so alles abspielt, ist für menschliche Begriffswelten komplett inkompatibel. Eine Masse von 1.000 Milliarden Sonnenmassen für das berühmt gewordene Schwarze Loch M 87* entzieht sich jeder menschlichen Vorstellung. Aber es macht deutlich, dass der Mensch nur mikroskopischer Staub im Universum ist.

Weiß ich also nun ganz genau Bescheid, könnte ich nun ein Schwarzes Loch erklären oder was die Krümmung der Raumzeit wirklich ist? Eher nicht. Im Buch gibt es für solche Theorien und Gesetze einen netten Begriff. Man kann sie mit dem Verstand begreifen, aber nicht mit dem Herzen. Tatsächlich kommt Rezzello mit eher wenig Mathematik aus, doch was eine Gleichung ist, wie sie funktioniert und wie sich tendenziell Brüche entwickeln, das muss schon sitzen. Obwohl ich mir physikalisches und generell gutes Wissen in den Naturwissenschaften bescheinigen würde, verstand ich an vielen Stellen ziemlich Bahnhof. Was blieb, war so etwas wie eine hauchdünne Ahnung, die ich aber mehr wiederholen würde als stichhaltig erklären. Trotzdem hat das Buch Spuren hinterlassen, dort, wo es allgemeinverständlich ist. Zum Beispiel, wie und mit welchen Methoden das Bild des Schwarzen Loch entstand und welche Techniken dazu genutzt wurden. Bei einem guten Drittel des Buches konnte ich dann doch nur staunend mitlesen. Kein überflüssiges Buch, aber etwas für Hartgesottene in den Naturwissenschaften.

Luciano Rezzolla studierte Physik an den Universitäten von Bari und Triest, war ein Jahr Offizier auf einem Unterseeboot der italienischen Marine und studierte dann weiter am SISSA in Triest, an dem er 1997 bei John C. Miller promoviert wurde. Als Post-Doktorand war er an der University of Illinois at Urbana-Champaign und war danach wieder am SISSA, wo er Professor wurde. Er war ab 2006 Leiter der Abteilung Numerische Relativität am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik bei Potsdam und ist seit 2013 Professor für theoretische Astrophysik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dort ist er auch Direktor des Instituts für Theoretische Physik. Rezzolla untersucht kompakte Objekte wie schwarze Löcher und Neutronensterne im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie und relativistischen Hydrodynamik und Magnetohydrodynamik mit analytischen und numerischen Methoden. Für die Vergleiche mit den Beobachtungen des supermassiven schwarzen Lochs in M 87 durch das Event Horizon Telescope (EHT, die Beobachtungen von 2017 wurden im April 2019 vorgestellt) unternahm er Computersimulationen der sich ergebenen Bilder des schwarzen Lochs, die durch die Raumzeitkrümmung der starken Gravitationsfelder des Schwarzen Lochs stark verzerrt sind. […]  Ebenso war er an der Analyse der EHT-Daten für das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße (Sagittarius A*), dessen Ergebnisse im Mai 2022 vorgestellt wurden, wesentlich durch Computersimulationen verschiedener Szenarien (wegen der höheren Dynamik bei Sagittarius A* viel schwieriger als M87 zu analysieren und stark von Computersimulationen abhängig). Auch hier konnte er mit Kollegen alternative Erklärungen wie Wurmlöcher, nackte Singularitäten oder Gravasterne ausschließen. […] 2011 zeigte er mit Kollegen, dass sich aus der Fusion magnetisierter Neutronensterne ein schwarzes Loch mit magnetisierter Akkretionsscheibe ergibt, die einen hochenergetischen Jet erzeugt und eine Erklärung für kurze Gammablitze liefert.[5] 2013 schlug er mit Heino Falcke von ihnen so genannte Blitzars als Erklärung von Fast Radio Bursts vor. Dabei verliert ein Neutronenstern, der eigentlich zu viel Masse besitzt um stabil zu sein (supramassiv), Drehimpuls und sein magnetisches Feld, wird instabil und kollabiert zum schwarzen Loch. Rezzolla erhielt 2014 mit den Radioastronomen Heino Falcke und Michael Kramer einen Synergy Grant des ERC zum Studium schwarzer Löcher. Er ist im Rat (Board) des Event Horizon Telescope.

Dieser Text basiert auf dem Artikel Luciano Rezzolla aus der freien  Enzyklopädie Wikipedia  und steht unter der Lizenz Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert