Ralf Zerback: Triumpf der Gewalt
Da wären dann Bücher, die sich auf eine ganze Epoche beziehen, auf ein einzelnes Jahr wie bei Volker Ullrich, oder sogar nur auf eine einzelne Woche. Ralf Zerbach widmet sich in seinem Buch drei Jahren, jedoch drei in der deutschen Geschichte entscheidenden Jahren. In denen die Reichskanzler Brüning und dann von Papen versuchten, die Weimarer Republik wieder mit einer funktionierenden Regierung auszustatten. Bis eher aus Ratlosigkeit am 30. Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler wurde und er Deutschland mit einem Terrorregime überzog. Nun gibt es schon reichlich Bücher zu dieser Zeit, insbesondere zu den Vorgängen in der Weimarer Republik wie auch zur Nazizeit. Brauchte die Welt also noch ein Buch zu diesem dunklen Kapitel in Deutschland? Nach dem Lesen würde ich das durchaus bejahen. Obwohl ich schon einen Stapel von Werken an geschichtlicher Literatur in den Regalen habe. Der wesentliche Unterschied bei Zerback gegenüber den anderen Büchern liegt im Fokus auf Vorgeschichte, die Vorgänge hinter den Kulissen der damaligen Tagespolitik und den vielen Randerscheinungen als Folgen. Da muss ich zugeben, dass ich das in solchen Details noch nicht gelesen hatte.
Man kann geschichtliche Entwicklungen auf vielerlei Arten darstellen. Die einen Autoren hangeln sich von Datum zu Datum und Namen zu Namen. Andere Autoren legen Schwerpunkte auf Personen und ihre spezifischen Merkmale. Ralf Zerback betrachtet viele Aspekte zugleich. Natürlich stehen die wichtigen Männer und auch Frauen dieser Zeit im Vordergrund. Aber auch weniger wichtige, die das Geschehen interpretieren und mit persönlichem Erleben füllen, Schriftsteller oder Diplomaten. Doch diese Menschen sind nicht nur Stichwortgeber, Zerback lässt ihre Geschichte, ihre Charaktere und ihr Handeln sichtbar werden. Besonderes Gewicht bekommen der Kreis Hindenburg/Brüning/Papen/Schleicher, der Beraterstab hinter dem Reichspräsidenten, das Taktieren und Manipulieren hinter den Kulissen und die speziellen Probleme der späten Weimarer Republik. Dann wieder werden Abschnitte eingelegt, die sich mit Einzelphänomenen beschäftigen. Wie mit den Parteimilizen Stahlhelm, SS, SA oder Reichsbanner. Wie und warum die Konzentrationslager ab 1933 entstanden und warum sie erst später eine wichtige Rolle spielten. Anstatt ab 1935 aufgelöst zu werden. Was ich bisher noch gar nicht so im Detail gelesen habe, ist die Geschichte der Länder, Bayern, Preußen, Thüringen, über ihre nicht erreichte Auflösung. Wie überhaupt während der Weimarer Republik Deutschland strukturiert war. So entsteht ein sehr vielfältiges Bild dieser Zeit, bis hin mit einem eigenen Kapitel über emigrierte Künstler und Schriftsteller. Wenn man sich schon eingehender mit der deutschen Geschichte beschäftigt hat, ist nicht alles neu. Aber Zerback ergänzt es mit vielen Details.
Dadurch bekommt das Buch etwas von einem Roman, es ist keine nüchterne Betrachtung von Geschichte und Politik. Es konzentriert sich vor allen Dingen darauf, was warum so lief, wie die einzelnen Geschehnisse einander bedingten. Es zeigt zudem, dass Annahmen und Interpretationen der Gegenwart zu kurz greifen, wie die Behauptung, die Weimarer Republik sei an der Zersplitterung des Reichstages gescheitert. Dass die Nationalsozialisten innerhalb weniger Monate Demokratie, Rechtsstaat und Weimarer Verfassung zerlegten, war nicht gottgegeben, sondern ein großer Irrglaube der anderen Parteien. Speziell der nationalkonservativen. Die glaubten, wenn die Nazis nur drei Posten im Kabinett der Regierung hätten, könnte man sie einhegen. Das eigentliche Ziel der Konservativen, warum sie Adolf Hitler das Ruder überließen, war, dass sie ihn entzaubern wollten. Zeigen, dass auch er an den Gegebenheiten dieser Zeit, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit, Reparationszahlungen, scheitern würde. Der Untergang der Weimarer Republik und der kometenhafte Aufstieg eines Adolf Hitler war kein Naturereignis, es war die Folge daraus, dass die meisten Politiker noch nicht zur Demokratie fähig oder willens waren, sich überschätzten und Politik unterschätzten. Dieses ganze Spinnennetz aus Fehlentscheidungen, Fehlannahmen, Diskursunfähigkeit und persönlichen Pfründen entwirrt Ralf Zerback, macht es verständlich und sogar nachvollziehbar. Er schafft es sogar, der Leserin und dem Leser den ganzen Schrecken und den unmenschlichen Terror der Nazis spürbar zu machen. Und hat damit ein großartiges Buch geschrieben.
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