Sven Plöger: Zieht Euch warm an, es wird heiß!
Das interessanteste Buch, das ich seit langer Zeit gelesen habe. Nicht nur, weil es toll geschrieben ist, weil es Wissenschaft so verständlich und kurzweilig darstellt. Sondern weil es mir klar gemacht hat, dass ich von Klima und Wetter glattweg gar nichts weiß. Besser: wusste. Weil es mich mit nicht nur mit viel Wissen, sondern auch einem Arsenal an Argumenten gegenüber Klimawandel-Leugnern ausgestattet hat. Sven Plöger kenne ich schon seit seinen Anfängen im Fernsehen, als er eher gezwungen als gewollt für den Wetterbericht vor die Kamera musste. Weil der eigentliche Kollege kurzfristig erkrankt war. So ist er inzwischen nicht nur deutscher Diplom-Meteorologe, sondern auch Fernsehmoderator. So unterhaltsam und sympathisch er seine Sache vor der Kamera macht, so überzeugend auch sein letztes Buch. Prädikat: äußerst wertvoll.
Plöger führt den Leser in die Grundlagen der Meteorologie ein. Angefangen bei den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Wetter und Klima, über die Wirkung von Land, Wasser und Atmosphäre, wie und warum Wetter überhaupt entsteht, was Wetter und Klima prägt, wie die Rocky Mountains in den USA das Wetter in Japan beeinflussen, dazu das Eis in der Arktis und in der Antarktis. Dass es insgesamt vier Jetstreams gibt, warum es die überhaupt gibt und wie diese Höhenströmungen für das Wetter in Paderborn, New York und Delhi verantwortlich sind. Der heiße und trockene Sommer 2018 hatte damit zu tun, dass der verantwortliche Jetstream Hochdruckgebiete über Mitteleuropa quasi festgenagelt hatte. Was wieder an den fallenden Temperaturunterschieden zwischen Arktis und Äquator liegt. Warum El Ninó mal kommt und mal nicht und was die Folgen sind. Schon eine grobe Inhaltsbeschreibung würde jede Rezension sprengen. Am Ende geht es aber nur um ein Thema: den Klimawandel. Sven Plöger gehört zum Glück nicht zu den Angstbeißern und Kassandra-Anhängern, Plöger ist Wissenschaftler aus ganzem Herzen. Er schreibt, was wir genau wissen, was eventuell so ist und was noch ungeklärt. Es beschreibt Szenarien wie auch Fakten. Wie zum Beispiel, dass beim Abschmelzen der Antarktis-Eisschicht der Meeresspiegel um sechs bis sieben Meter ansteigen würde. Tschüss Hamburg, tschüss Stockholm, tschüss Niederlande.
Es ist schon eine wissenschaftliche Breitseite, die Plöger da serviert. Nur ganz selten rutscht ihm mal ein Fachbegriff durch ohne ihn zu erklären. Was Wissenschaftlern dann oft schwer fällt, nämlich aus der Sache eine Geschichte zu machen, die schiere Masse an Aspekten und Faktoren zu einem Gesamtbild zu fassen, das gelingt ihm hervorragend. Das Ganze noch oft mit einem Schuss Humor und immer nahe an der Realität der Leser. Für diese Art zu schreiben beneide ich ihn, er nimmt den Leser buchstäblich an die Hand und präsentiert ihm eine verständliche Sicht auf ein hochkomplexes Fachgebiet. Einige Lehrer können sich an ihm ein Beispiel nehmen, wie man selbst trockenste Wissenschaft anschaulich und mit spürbarem Herzblut vermittelt. Einziges Manko an diesem Buch: es sollte ein Globus mitgeliefert werden.
Leider ist das Thema, um das es in diesem Buch geht, weniger vergnüglich. Denn Plöger macht keinen Hehl daraus, dass wir uns gerade entweder neoliberal begeistert, populistisch gelangweilt oder schlichtweg ignorant und bequem unser eigenes Grab schaufeln. Das Buch liefert in der Mitte ein grandioses Beispiel für unsere katastrophale Einstellung und unseren Größenwahnsinn. Hätte damals Mr. Thomas Midgley in den USA für sein angeblich harmloses Kühl- und Lösungsmittel FCKW nicht das billige Chlor, sondern das teure Brom verwendet, hätte die Erde heute keine Ozonschicht mehr. Und wir wären alle geröstet. Dabei wollte Mr. Midgley doch nur etwas Gutes tun. Die Konsequenzen seiner Erfindung wurden erst den nachfolgenden Generationen klar. Sven Plögers Buch hat damit nicht nur eine wissenschaftliche, sondern genau so eine politische und gesellschaftliche Botschaft. Ich finde, wir sollten auf ihn hören. Nicht nur beim Wetterbericht nach der Tagesschau.
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[…] einen weiteren Band zum Thema vorgelegt hätte. Tatsächlich ist es eine Neuauflage und Erweiterung seines Buches aus 2020. Daher gilt die Rezension aus diesem Jahr unverändert weiter. Plöger hat das Buch erheblich […]
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