Thomas Brudermann: Die Kunst der Ausrede
Auf einer Familienfreier kam irgendwann das Thema Klimawandel, Kohlendioxid-Emissionen und Autos. Ein Verwandter meinte dazu im Brustton der Überzeugung: „So lange die Chinesen nix machen, mache ich auch nix!“. Der Vollständigkeit halber möchte ich hinzufügen, dass er einen sehr fleischzentrierten Ernährungsstil pflegt, was an seinem enormen Bauchumfang abzulesen ist. Doch es gibt noch mehr Ausreden. Es sei schon zu spät, der Einzelne könne doch nichts machen, die Erde hätte schon immer Warm- und Kaltzeiten gehabt, oder man sei doch schon klimafreundlich, da komme es mal auf einen einzelnen Flug in den Urlaub doch nicht an. Thomas Brudermann beschäftigt sich mit den Ausredevarianten im Wesentlichen aus Sicht der Verhaltensökonomie und Umweltpsychologie, zwei noch recht jungen Wissenschaftsgebieten. Speziell geht es darum, welche inneren Vorgänge hinter den Ausreden stehen, was die Fakten sind und wie man diesen Ausreden begegnet. In vielen Fällen sind Bequemlichkeit, Verlustängste, Status und schlichtweg Unwissenheit die Hintergründe. Doch es gibt auch einige andere Gründe zum Leugnen des Klimawandels, damit hat mal wieder der Neoliberalismus und der unerschütterliche Glaube an die Märkte zu tun.
Insgesamt 25 Ausreden stellt Brudermann vor, was die innere Haltung dahinter ist und wie sich diese Ausreden schnell selbst entlarven. Wobei einige Ausreden offensichtlich sind, wie die aus Bequemlichkeit oder Verlustangst. Andere Ausreden wieder haben schon etwas tiefer liegende Motive, die nicht auf den ersten Blick hervor scheinen. Zentrale Absicht ist für den Autor, die Ausreden als solche zu demaskieren und Gegenargumente zu liefern. Diese Absicht ist erst einmal gut und sinnvoll, ignoriert jedoch, dass es heute Mode ist, Meinungen als Tatsachen anzusehen. Hätte ich meinem Verwandten entgegen gehalten, dass bezogen auf die Gesamtmenge seit 1850 die Chinesen eher hinten stehen, die USA und die Europäer aber weit vorne, hätte das seine Haltung nicht geändert. Brudermann argumentiert ein wenig an der menschlichen Realität vorbei. Es sind eben nicht Daten, Zahlen und Fakten, die bei Klimaleugnern, AfD-Wählern oder Reichsbürgern nur ein Jota verändern würden. So korrekt seine Argumentation und so schlüssig seine Analyse des Verhaltens im Thema Klimawandel, so sehr gehen sie an der alltäglichen Wirklichkeit vorbei. In diesem Sinne gut gedacht, aber leider eben Theorie und Wunschdenken. Wieder mal ein Buch für die, die es nicht lesen würden.
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