Tuba Sariça: Ihr Scheinheiligen!
In der Spiegel-Bestsellerliste erschien Tuba Saricas Buch unter den Sachbüchern. Aber ist es wirklich ein Sachbuch? Ich würde sagen Nein, es ist eher Autobiografie oder Diskurs. Saricas Buch mit dem Untertitel Doppelmoral und falsche Toleranz – Die Parallelwelt der Deutschtürken und die Deutschen erzählt von ihr selbst. Vom Aufwachsen in einer deutschtürkischen Famile, die zu Lebzeiten des Vaters eine liberale, eher weltoffene war. Mit dem Tod des Vaters rückt ihre Mutter immer mehr in eine deutschtürkische Parallelgesellschaft. Tuba Sarica soll diese Umorientierung mitmachen, soll sich den Regeln und Denkweisen dieser für sie neuen Umgebung anpassen. Doch sie rebelliert, will ihren eigenen Weg gehen. Sie will Deutsche sein, Deutschland als ihre Heimat haben. Nicht um den Forderungen der Integration zu genügen, sondern nur, weil sie es will. So ist das Buch einerseits subjektiv und persönlich, lässt aber doch nach dem Lesen ein ungutes Gefühl zurück.
Sarica schildert diese deutschtürkische Parallelwelt als abgekapselt, rückständig, rassistisch und fremdenfeindlich. Wenn nicht sogar faschistisch. Sie erzählt von ihrem Aufwachsen und dem Kampf aus der Parallelgesellschaft, und von den Folgen und Konsequenzen daraus. Von den unguten Einflüssen des Islam, der die Deutschtürken gefangen hält. Eben weil es einfacher ist, seinen Kindern zu befehlen, sie zu misshandeln, sich nicht der Diskussion zu stellen. Wenn nur das Türkische und Muslimische gut und richtig ist, alles Deutsche aber falsch und verlogen. Einiges an den Erzählungen kann sie belegen, doch im Wesentlichen geht es um ihren Weg in eine echte, ehrliche Integration. Weil sie sich als Deutsche fühlt und genau so leben und wahrnehmen möchte.
Dieses Buch hat Tuba Sarica nicht in erster Linie für Deutsche geschrieben, sondern für deutschtürkische Jugendliche, die sie auch aus diesem erdrückenden Paralleluniversum holen möchte. Liest man das Buch als Deutscher, erscheint vieles übertrieben dargestellt oder überzogen. Nur meldet sich mit dem Zweifel auch eine schwache Idee, dass es vielleicht so sein könnte, dass es so manches Unverständliche und Widersprüchliche erklären würde. Sollte, und ich bleibe im optimistischen Konjunktiv, ein überwiegender Teil ihrer Schilderungen wahr sein, dann sind die Flüchtlinge von 2016 und 2017 nicht unser Problem, sondern die Leute, die schon lange bei uns leben, die so tun, als seien sie in die deutsche Gesellschaft integriert. In Wirklichkeit leben sie in einer Blase, die unbedingt erhalten bleiben muss. Wobei sogar der türkische Präsident behilflich ist, denn die Deutschtürken sieht sie gegenüber den Menschen in der Türkei für in der Vergangenheit verloren. So deckt sich ihre Darstellung mit denen anderer Autoren wie die von Ahmad Mansour oder Hasnain Kazim. Natürlich gibt es auch italienische oder spanische Parallelwelten in Deutschland. Der wesentliche Unterschied ist jedoch der, dass es sich dort um christlich-mitteleuropäisch geprägte Welten handelt, nicht um muslimische.
Bei aller Subjektivität ist es ein spannendes und interessantes Buch, das vielleicht tatsächlich Einblicke in eine Welt erlaubt, von der wir eigentlich kaum etwas wissen, aber doch erahnen. Für ein sich Annähern an Grundfragen zur Integration kann das Buch neue Sichten und Gedanken liefern. Zusammen mit Büchern, die mehr auf Recherche und dargelegten Fakten setzen. Es ist subjektiv, aber Subjektivität und Objektivität müssen nicht zwangsweise Widersprüche sein.
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