James Hawes: Die kürzeste Geschichte Englands

James Hawes: Die kürzeste Geschichte Englands

James Hawes: Die kürzeste Geschichte Englands

Für manche Bücher musss man gewisse Vorlieben haben. Bei ALLES wird ZAHL für die Mathematik, bei Die kürzeste Geschichte Englands für Großbritannien oder wenigstens einen Teil davon. Nun findet man Details über die englische Geschichte nicht erst seit diesem Buch, aber selten so kompakt und dicht. James Hawes hatte bereits Die kürzeste Geschichte Deutschlands geschrieben, nun macht er das für sein Heimatland Großbritannien. James Hawes, geboren 1960 in der englischen Grafschaft Wiltshire, ist passionierter Schriftsteller und Universitätsdozent für kreatives Schreiben in Oxford, promovierter Germanist.  Seine Geschichte über das Werden Englands, wie wir es heute kennen, beginnt bei ihm 55 v. Chr., als die Römer erstmals das südliche England besuchten, aber nicht blieben. Erst gut zehn Jahre später schauen sie mal wieder vorbei und lassen sich nieder. Eine kulturelle Hochzeit beginnt in dem Bereich, den wir heute England nennen. An den Vorläufern der Bewohner des heutigen Schottland und Cornwall scheitern sie. Ehe ich nun auf weitere Details nach dem Abzug der Römer eingehe, die Kriege mit Pikten und Walisern, die Überfälle von Wikingern, Dänen, Sachsen und Franken: den Inhalt des Buches nur annähernd zu umreißen, ist praktisch nicht möglich. Ich versuche es trotzdem.

Nach den wechselnden Herren aus Skandinavien und Kontinentaleuropa entsteht erst ab 1066 in etwa das, was wir heute als England kennen. Doch mit dem Einzug der Normannen beginnt die Jahrhunderte dauernde Vorherrschaft der Normannen und Franzosen auf der unteren Hälfte der großen Insel. Nach dem Abzug der Normannen wieder zerfällt das Reich, zurück bleiben bis heute gültige Gefälle. Einmal zwischen dem reichen Süden und Südosten und Nordengland, und zwischen einer Französisch sprechenden Elite und dem gemeinen Volk. Auch wenn der Eintritt in die hohe Ebene von unten in England möglich ist, bleibt das Gefälle bestehen. Großbritannien und das Vereinigte Königreich kommen erst nach der Assimilation der Schotten und Waliser zustande. Irland kommt dazu, erreicht 1921 aber wieder, bis auf Nordirland, Unabhängigkeit. Viele Muster, die während des Hochmittelalters entstanden sind, wirken in England und in Großbritannien bis heute fort. Wenn man es so interpretiert, ist selbst der Brexit von solchen Einflüssen abzuleiten. Dort endet auch das Buch, mit dem Brexit und Covid-19. Mit Gründen und einer Abschätzung der Zukunft.

Die Zeit bis zum 16. Jahrhundert ist nur sehr mühsam in diesem Buch zu verfolgen, erst ab Heinrich VIII. wird die Linie klarer und verständlicher. Mit den Königinnen Maria und Elisabeth, der Industrialisierung und den politischen Entwicklungen, die zu Labour und Tories geführt haben. Je näher das Buch der Gegenwart rückt, desto detaillierter wird es. Man muss Hawes zugute halten, dass er viele Entwicklungen seit dem 19. Jahrhundert anhand der Vergangenheit Englands erklärt, soziale und politische Verläufe. Er schafft es schon, viele Details einzubinden, andere Sichten als die aus Geschichtsbüchern zu übernehmen. Trotzdem verhebt er sich ein wenig, in einem eher überschaubaren Buch die vielen und verworrenen Fäden zusammen zu halten.

Die Grafiken eher handschriftlich, aber auch mit vielen Bildern und Auszügen von Gemälden. Wenn man mal etwas über die Geschichte der großen Insel  aus einem anderen Blickwinkel braucht, die erste Wahl. Eines muss man am Schluss doch anerkennend gelten lassen. Die Briten und ihre Geschichte sind in Europa einmalig, ihre Eigenarten und Seltsamkeiten liegen in ihrer Geschichte begründet. Vielleicht hilft das Buch ein wenig den anderen Europäern zu Britenverstehern.

Mit dem Bestseller »Die kürzeste Geschichte Deutschlands« hat James Hawes eine kühne Deutung der Deutschen vorgelegt. Jetzt widmet er sich seinen britischen Landsleuten – und folgert: England ist zweigeteilt, nicht erst seit dem Brexit. Auf der einen Seite der reiche, selbstzufriedene Süden, auf der andern der raue, ärmere Norden. Der Graben existiert schon seit Jahrhunderten, doch in den letzten Jahren hat sich die Kluft zwischen Konservativen und Liberalen gefährlich vertieft: Die eine Hälfte sehnt sich nach der vermeintlich glorreichen Vergangenheit des British Empire, die andere will Teil eines weltoffenen Europa bleiben. Für diese Gefahr gibt es laut Hawes nur eine Lösung: die Überwindung der Brüche und ein gemeinsamer Kampf um ein neues Großbritannien. (Pressetext Ullstein-Verlag)

 

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