Thomas Ammann: Die Mac#tprobe
Thomas Ammann hat sein Handwerk noch mit richtigem Film, Tonbandgeräten und Telefonzelle statt Handy erlernt. So gehört er, wie auch ich, beide Jahrgang 1956, zu den Beobachtern der ersten Stunde in der Entwicklung der Digitalisierung der Medien. Was auch heißt, dass Ammann aus dem Blick des sowohl Beteiligten als auch Betroffenen an das Thema heran geht. Zugute halten muss ihm weiterhin, dass drei große Interviews im Buch enthalten sind, die für weitere Aspekte auf das Gebiet hilfreich sind. Grob eingeteilt sind drei Sichten wesentlich. Einmal die aktuelle Situation mit den großen Playern Facebook und Instagram, und ihre Auswirkungen auf die Demokratie und Politik. Was er die dunkle Seite des Netzes nennt, ist eine sehr detaillierte Aufschlüsselung, über die Art und Weise, wie die Digitalisierung nicht nur die Medien, sondern auch Politik und Gesellschaft verändert hat. Wie sich in den letzten Jahren Bewegungen gebildet haben, die ohne die sozialen Medien so nicht möglich gewesen wären, von PEGIDA bis zum arabischen Frühling. Oder über die Auswirkungen der sozialen Medien, der dort verbreiteten Fake News bis zur Beeinflussung von Wahlen überall auf der Welt. Über die Rolle Russlands und China in diesen Geschichten. Die Story um Cambridge Analytica schildert er mal in allen Details, was ein erschreckendes Bild über den Stand in der aktuelle Politik entstehen lässt, nicht nur in den USA. Im dritten Bereich geht er mit seinen eigenen Medien hart ins Gericht. Lange glaubten Journalisten und Verleger, sie seinen die maßgeblichen Verkünder der Wahrheiten, die einzigen Quellen für Informationen, Gralshüter. Dabei haben sie die Veränderungen, die sich früh abzeichneten, sehr lange verschlafen.
In diesem Sinne könnte man Ammanns Buch in mehrere Zielthemen verorten. Zum Einen ist es eine Kritik an der unglaublichen Macht der sozialen Medien und Messenger, zu denen er in vielen Details aufzeigt, wie sie klammheimlich die Gesellschaft unterwandern, gezielt politisieren und Informationen nach eigenem Gutdünken zerspanen. Mit dem gegebenen Umfang des Buches kann er somit natürlich viele tiefer in Details gehen als der beiläufige Artikel in einem Nachrichtenmagazin. Nicht Neues, aber es wird schon sehr gut sichtbar, wie soziale Medien die Gesellschaft und Politik verändern, damit auch demokratische Systeme. Wenn zum Beispiel Algorithmen dafür sorgen, dass in YouTube angesehene Videos immer radikaler und abwegiger werden. Die große Hoffnung, dass „das Internet“ für eine demokratischere, besser informierte Gesellschaft sorgen wird, hat sich mit dem Aufkommen der Internetgiganten in Staub aufgelöst. Übriggeblieben ist eine monströse Manipuliermaschine, der es nur noch um Clickraten, Verweildauer und Umsatz geht. Bei diesem Thema ist Ammann nicht allein, aber die Einzelheiten hinter den vielen Geschichten sind selbst für jemanden, der meint zu wissen, was dort abgeht, erschreckend.
Das Buch wendet sich danach dem eigentlichen Wirkungsbereich der Journalisten zu. Das Klagen der Verlage ist groß, über sinkende Zahlen der Abos, die Beschimpfungen als Lügenpresse, dass kaum noch Werbung in Printmedien, dafür in Instagram und Facebook geschaltet wird. Dass manche Medien im Online-Bereich, wie spiegel.de, bis zu 30% ihrer Besucher über Suchmaschinen erhalten, bringt ein merkwürdiges Bild. Einmal die Suchmaschinen beschimpfen, weil sie den großen Medien Besucher wegnehmen und Inhalte kostenlos verbreiten, andererseits sich mit Google und Microsoft ins Bett legen. Doch die Zahl der Abos bei den Tageszeitungen im Sinkflug sprechen eine deutliche Sprache. Dabei haben viele Medien am Anfang selbst ihren Content kostenlos abgeliefert. Und den Benutzer daran gewöhnt, dass er alles für lau bekommt.
Die Beschimpfungen als Lügenpresse, so Ammann, verwundern nicht wirklich. Jahrzehnte lang haben sich Journalisten und Politiker als eine geschlossene Kaste betrachtet, als Hohepriester der Verkündigung. Nicht ganz ohne Grund ist so die Mär der Systemmedien entstanden, die zwar so einfach nicht ist, aber von außen leicht so interpretiert werden kann. Nun präsentieren sich Filterblasen und Echokammern, unterstützt von den allmächtigen Algorithmen, als neue Quelle von Wahrheit und Realität. Mit Wahrheit hat das oft wenig zu tun, mit Journalismus überhaupt nichts. Den professionellen Journalismus wieder als integralen Bestandteil der Demokratie zu etablieren, wird ein hartes Stück Arbeit. Dazu muss sich der Journalismus verändern. Noch ist Rom nicht verloren, wie die noch immer große Zahl an Menschen zeigt, die Öffentlich-Rechtliche und Tageszeitungen ganz überwiegend für zuverlässig halten.
Das Buch bedient also zwei Seiten. Einmal eine detaillierte Einsicht in die Arbeitsweise der sozialen Medien, und deren Auswirkungen. Zugleich ist das Buch eine Medienkritik, aus einer sicher erfahrenen und kritischen Ecke, nämlich von einem gestandenen Journalisten alter Schule, der die Zukunft mit im Blick hat. Dabei liefert das Buch Einzelheiten, die auch mir noch nicht geläufig waren. Dabei humorvoll und profund zugleich.
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