Die bestellten Bücher sind noch nicht eingetrudelt, die Wochenendausgabe meiner Zeitung habe ich auch durch, Krautreporter ebenso. Also neben dem Besuch des Bioladens ab in den Buchladen gegenüber und etwas für zwischendurch mitgenommen. Da mein Buchhändler fast keine Sachbücher führt und nur meine Bestellungen erledigt, wurde es ein Roman. Aus einer üblicherweise recht vertrauenswürdigen Bestsellerliste. So kommt man dann doch an Romane, selbst ich. Der Grund, gerade dieses Buch zu kaufen, war der Titel. Der mir als an Sprache Interessiertem allgemein und im Besonderen interessant erschien. Auch wenn es kein Sachbuch war. Selbst der Klappentext las sich erst einmal nicht belanglos. So dann mal ran an den Text. Ich habe tatsächlich durchgehalten.


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Zeit, sich wieder den ernsthaften Dingen des Lebens zu widmen und die Sommerpause der Radios für die Fortbildung zu nutzen. Meine Dauerbaustelle in diesem Sektor ist das Schreiben fürs Hören, das Verfassen von Manuskripten für Radiobeiträge. Die dann, gelesen, möglichst so klingen wie freies Moderieren. Da meine Textanteile in einem Beitrag oft 20 oder 30 Minuten betragen, ist freies Sprechen da keine wirkliche Option.

Die Buchliste, die zum Thema Texten fürs Radio herauskommt, ist eher übersichtlich. Die meisten Bücher davon hatte ich schon, bis auf eines waren mir die Bücher vertraut, sowohl vom Titel als auch vom Inhalt her. Nur eben dieses eine, das stand im Regal, aber was stand da noch einmal drin? Worum ging es? Und warum ist nichts hängen geblieben? Also noch mal von vorne. Das Lesezeichen, ein Zigarettenblättchen, das ich im ersten Kapitel fand, erinnerte mich daran. Warum ich es nur angefangen, nie zu Ende gelesen hatte. Ein Fehler.


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Als ich 27 war, wohnte ich noch in der gleichen Stadt, in der ich geboren wurde. In der ich die Volksschule und die Fachoberschule besuchte. Und doch waren die drei Welten ganz verschiedene. Sogar das heutige Berlin hat mit meinem Berlin aus den Achtzigern nicht mehr viel zu tun. Selbst Kreuzberg nicht. Aber so ist es einmal eine andere Welt, wenn man 38 Jahre älter ist als Sophie Passmann. Ich weiß nicht einmal genau, wie ich an dieses Buch gekommen bin, könnte eine Leseempfehlung in der Psychologie Heute gewesen sein. Solche Bücher lese ich, wenn ich mehr über sie weiß, meistens nicht. Meistens. In diesem Fall war ich froh, das Buch in der Buchhandlung meines Vertrauens geordert zu haben, die nicht mit A anfängt, sondern mit M.

Das Buch ist kein Sachbuch, es ist kein Roman, nicht mal ein Essay. Es ist ein Buch, in dem die Autorin in ihrer neuen schönen Wohnung sitzt und sich fragt, was sie und ihre Generation denn wohl besser gemacht haben als Eltern. Von Großeltern ganz abgesehen. Ob sie wirklich die ihr angedachten Chancen genutzt, die Digitalisierung gewinnbringend eingesetzt haben und überhaupt klüger waren, als sie es ihren Eltern zustanden. So gesehen ist es eine niedergeschriebene Reflektion, öffentlich zugänglich gemacht. Das klingt nach nicht viel. Aber manchmal ist weniger mehr.


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Ich hatte mir einmal vorgenommen, über Bücher, die ich für nicht gelungen halte, auch nichts zu schreiben. Inzwischen bin ich ins Nachdenken gekommen, ob ich nicht in gewisser Weise auch vor Büchern warnen sollte. Falls das jemand tatsächlich wissen wollte. Da ich eh langsam mal wieder aussortieren muss, um Platz im Regal zu schaffen, hier zwei Kandidaten, die es zuverlässig als erste in den Karton schaffen werden.

Jenny Odell: Nichts tun

In Nichts tun von Jenny Odell geht es darum gerade nicht. Sondern es ist ihr Programm, sich aus der Aufmerksamkeitsökonomie zurück zu ziehen, deren brutalster Vertreter wahrscheinlich Instagram ist. Es geht aber eben nicht nur um Facebook, Twitter und Instagram, sondern um die gesamte Breitseite an Aufmerksamkeitsräubern. Das Stickwort Digitaler Detox kommt da in den Sinn. Doch weit mehr ist gemeint, nämlich der Abschied von Selbstoptimierung und Effizienzdenken. Dahinter die Rückkehr in die güldenen Achtziger zu verstehen, mit Tastentelefonen und riesigen Röhrenfernsehern, ist nicht das Ziel. Sondern die Rückbesinnung auf eigene Werte und Ziele.

Nun ist Jenny Odell nicht primär Autorin, sondern Künstlerin, Schriftstellerin und Pädagogin mit Sitz in Oakland, Kalifornien. Damit ist ihre Sicht auf die Welt nicht universell, ziemlich amerikanisch und so liest sich auch das Buch. Man sucht vergeblich irgendwelche Fäden und nach einer Botschaft, einer message. Stattdessen empfand ich das Buch eher wie ihren persönlichen Erlebnisbericht, der mit meiner Realität wenig zu tun hat. Ich würde mich sogar versteigen zu sagen, mit den Welten von uns normalen, nicht so künstlerischen Menschen. Gut die Hälfte des Buches habe ich durchgehalten, mehr war nicht drin. Das Thema ist schon relevant und wichtig, aber eben nicht als auf sich selbst fokussierte Abenteuergeschichte, sondern mit passender soziologischer oder von mir aus auch philosophischer Basis. Ja, der Untertitel stimmt, es geht um Kunst. Nicht um Realität.

Sabine Schröder-Kunz: Älterwerden in Krisenzeiten

Älterwerden ist schon ein Thema für mich. Seit Januar 2021 beziehe ich Rente, betrachte mich aber nicht als Rentner im üblichen Sinne. Dazu schreibe und lese ich zu viel, mache noch Nebenjobs, produziere fürs Radio und bin 60 bis 80 Kilometer pro Woche mit dem Hund unterwegs. Trotzdem interessierte mich das Buch, weil ich hoffte, so einige Anregungen und Tipps mitzunehmen, wie ich ein Leben ohne Nine-to-Five-Job gestalte. Gerade in den aktuellen Zeiten, wo soziale Kontakte und Möglichkeiten eingeschränkt sind. Leider konzentriert sich das Buch aber eben nur auf diesen letzten Aspekt, nach einer allgemeinen Betrachtung der Lebensgestaltung mit zunehmender Vergreisung sucht man vergebens.

Das Buch behandelt (fast) ausschließlich das Leben älterer Menschen während der Corona-Krise, spricht ausgiebig über Selbstverantwortung und Mitverantwortung, rät zum Verzicht auf Alkohol, Fernsehen und andere schlechten Angewohnheiten. Auf seine Gesundheit achten, für den Kontakt zu anderen Menschen Skype und Zoom nutzen und so weiter. Kopf und Körper in Schuss halten. Die Jüngeren in der Bevölkerungen sollen bitte Rücksicht nehmen und die Alten sich nicht schämen. Ist dieses Thema in einem Kapitel abgefrühstückt, wird der Blickwinkel um drei Grad verändert und die Sache geht von vorne los. Nach drei Vierteln des Buches dachte ich dann: So weit war ich auch schon. Große Ankündigung, wenig Inhalt, um ein nicht schmales Buch zu füllen. Leider bei vielen Büchern in der Vergangenheit so.

 

Pflicht. Klingt so etwas muffig, nach Altvorderen und Kaiserreich. Nach uralten Zeiten und überkommenen Traditionen. Wenn nun ein Buch zu diesem Begriff in 2021 erscheint und auch noch von einem Philosophen, dann muss es wahrscheinlich um Corona und „Querdenker“, Pandemie und Gesellschaft gehen. Genau das trifft zu. Entwarnung vorab, es ist kein Buch mit erschlagendem Umfang, wie Prechts Geschichte der Philosophie in bisher drei Bänden. Darum nennt Precht es auch nur eine Betrachtung, nimmt die Erwartungshaltung des Lesers zurück. Bleibt sich trotzdem treu.

Geht man zurück zu den historischen Philosophen, stehen in deren Betrachtungen Begriffe wie Ehre, Erkenntnis, Pflicht und Wahrheit im Vordergrund. Das war jedoch noch zu einer Zeit, als Staaten keine Fürsorge- und Vorsorgepflichten hatten. Es galt das Recht des Mächtigen, die Bürger hatten ihrer Pflicht zu folgen. Rechte gab es wenige, für Frauen schon gar nicht. In den heutigen liberal-demokratischen Staaten wie Deutschland ist die Rolle des Staates eine andere. Er ist verpflichtet, für seine Bürger zu sorgen, sie zu schützen und zu ermöglichen, dass sie ihre Rechte wahrnehmen können. Aus dieser Pflicht des Staates erwachsen jedoch auch Rechte für ihn. Das Recht, die Freiheiten des Einzelnen einzuschränken, wenn Minderheiten und Schwache zu schützen sind. Denn die Freiheit des Einen endet bekanntlich dort, wo sie die Freiheit des Anderen verletzt. So weit, so gut. Aber was passiert heute? Menschen entpflichten sich aus der Gemeinschaft und gegenüber dem Staat. Sie wollen ihre grundgesetzlich verbrieften Rechte unter allen Umständen durchsetzen, auch wenn andere Menschen dafür erkranken oder sogar sterben. Tugenden wie Anstand und Mäßigung, Ehre und eben Pflicht sind auf dem Weg in die historische Mülltonne. Denn viele Menschen haben sich aus der Gemeinschaft verabschiedet, Gemeinwohl interessiert nicht mehr. Prechts Sicht auf diese Entwicklung ist plausibel und klar. Kapitalistischer Eigennutz vernichtet solidarische Gemeinschaft. Nicht mehr Fakten spielen eine Rolle, sondern Meinungen und Emotionen. Der Kapitalismus fördert das Ende der Demokratie.  Vereinfacht gesagt.


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Bestimmt haben Sie auf Ihrem Smartphone auch eine Wetter-App. Neben der Wetterprognose wird dort eine sogenannte Regenwahrscheinlichkeit angegeben, nämlich in Prozent. Aber was sagt die Zahl 40% aus? Dass es mit einer Wahrscheinlichkeit von 40% regnen wird? Oder dass die Meteorologen zu 40% mit ihren Voraussagen richtig lagen? In Wikipedia liest sich das so: „Eine prognostizierte Regenwahrscheinlichkeit für den 1. November von 100 % für die Stadt Wuppertal bedeutet, dass es bei vergleichbaren Wetterlagen (Luftdruck, Windrichtung, Luftmassen usw.) in der Vergangenheit immer irgendwo in Wuppertal geregnet hat, so dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch am 1. November im Stadtgebiet regnen wird. Daraus lässt sich demnach nicht ableiten, dass es den ganzen Tag (100 % des Zeitraumes) regnen wird oder dass es überall in Wuppertal regnen wird (100 % des Vorhersagegebietes).“. Heißt, dass die Voraussage für Bielefeld in Paderborn wenig hilft. Selbst in Bielefeld ist sie schwer zu verstehen. Damit eigentlich nutzlos.

Anderes Beispiel für die Verwirrung durch Zahlen. Als in Großbritannien die dritte Generation der Antibabypille eingeführt wurde, berichtete der britische Gesundheitsdienst, dass sich mit diesem neuen Medikament die Zahl der Thrombosefälle gegenüber der Vorversion verdoppelt habe. Genauer um 100% gestiegen sei sie. In absoluten Zahlen gab es zuvor bei 1.000 Frauen, die sie nahmen, einen Thrombosefall. Mit der dritten Pillengeneration waren es nun zwei. Bei wieder 1.000 Frauen. Dafür stieg in Großbritannien zu dieser Zeit die Zahl an Abtreibungen und ungewollten Schwangerschaften erheblich. Weil viele Frauen durch die genannten Zahlen abgeschreckt wurden. Gegen dieses Unwissen über und Unverständnis für tatsächliche oder vermutete Risiken schreibt Gerd Gigerenzer an. Und liefert damit ein faszinierendes Buch.

Gerd GigerenzerRisiko


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Schon die Philosophen des Altertums stritten über die Frage, ob Seele und Geist des Menschen etwas vom Körper Getrenntes seien. Oder ob der Geist erst durch den Körper erzeugt werde und mit dem Tod des Körpers vergehe. Mit dem Aufkommen moderner naturwissenschaftlicher Betrachtungen endete die Diskussion nicht, bekam durch die Methoden bildgebender Verfahren in Medizin und Biologie sogar neuen Aufschwung. Heute wissen wir im Grunde immer noch nicht besonders viel über das menschliche Gehirn, aber genug, im seine Funktionen erstmals ansatzweise zu verstehen. Wir wissen, wo dort auditive oder visuelle Reize verarbeitet werden, wissen etwas über die Funktionen von Botenstoffen und Neurotransmitter. Dazu gehört, dass wir das, was wir Bewusstsein nennen, in der Hauptsache im frontalen Cortex stattfindet. Doch ist viel von dem, was Gedanke oder Emotion wird, gesteuert von tieferen Bereichen im limbischen System, das sich in den unteren Schichten unserer Wahrnehmung völlig entzieht. Je mehr man über das menschliche Gehirn weiß, desto mehr Fragen kommen hinzu. Warum verfügen nur Menschen über eine syntaktisch-grammatikalische Sprache, nicht unsere nächsten Verwandten, die Primaten wie Gorillas und Bonobos? Was hat dazu geführt, dass aus unseren Vorfahren Wesen mit Vernunft, Sprache und transzendierendem Denken entstanden? Zu welchen Erkenntnissen führt das Wissen über unser Gehirn? Gibt es tatsächlich ein Verbrecher-Gen oder so etwas wie das genetisch bedingte Böse? Sind eineiige Zwillinge tatsächlich zu 100% genetisch identisch? Die letzte Frage lässt sich schon beantworten: Nein.

Gerhard Roth im Philosophischen Radio in WDR 5


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Seit 20218 haben die Briten ein Einsamkeitsministerium. Untersuchungen zur Einsamkeit gibt es mehr als genug. Fast scheint die Einsamkeit eine Art Volkskrankheit geworden zu sein. Dazu passt das Buch Die Einsamkeit des modernen Menschen von Martin Hecht auf den ersten Blick. Doch Hecht geht es nicht um die Beschreibung, sondern um die Historie und Bedeutung der Einsamkeit in der heutigen Zeit. Warum fühlen sich heute so viele Menschen einsam, und was hat das verursacht? Was sind die Konsequenzen? Der Untertitel deutet eine politische Interpretation an, tatsächlich geht es um politische Folgen eher am Rande, als Auswirkung und Nebeneffekt. Das eigentliche Stichwort ist die Individualisierung, die in der Renaissance mit der Hinwendung zu Vernunft und Eigenverantwortlichkeit begann. Die Wichtigkeit, ein Individuum zu sein, ein eigenständiges und unabhängiges Dasein zu führen, entstand erst mit der Industrialisierung und Urbanisierung. Doch das Loslassen von Traditionen und Institutionen hatte seinen Preis. Den Verlust der familiären und sozialen Bindungen, die dem individuellen Lebensstil entgegen standen. Mit der bitteren Konsequenz, dass die eigene Rolle und Bedeutung unklar und nebulös wurden. Daraus, so Hecht, entstand das Bedürfnis, wieder eine Sichtbarkeit, ein Gesehenwerden zu erreichen, Respekt und Aufmerksamkeit zu bekommen. Kein leichtes Unterfangen in der heutigen Zeit, wo Bedeutung und gesellschaftliche Position an Klicks, Likes und Shares gemessen werden. Selbst das Medium, das Eigenständigkeit, weltweiten Austausch plus Liberalität versprach, wo sich jeder präsentieren kann, das Internet, hat es nur verschlimmert. Mit der Folge, dass sich Menschen aus ihrer gefühlten oder tatsächlichen Bedeutungslosigkeit und Unsichtbarkeit radikalen und populistischen Gruppierungen anschließen. Die ihnen versprechen, ihnen wieder eine Stimme und einen Wert zu geben.

Martin HechtWDR 5 «Neugier genügt»


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Robin Alexander: Machtverfall

Robin Alexander: Machtverfall

Der Untertitel Ein Report ist eine deutliche Untertreibung. In Machtverfall fasst der Journalist Robin Alexander die politischen Geschehnisse in Deutschland von ca. 2015 bis April 2021 zusammen. Angefangen bei der Flüchtlingskrise, aber auch mit Rückblick auf frühere Ereignisse, wie den Börsencrash 2008. Was zugleich bedeutet, dass das Buch in einiger Zeit nur noch historisch interessant ist, keine aktuelle Politik mehr. Scheint auf den ersten Blick etwas wenig, aber diese Schwäche ist zugleich eine Stärke des Buches. Eine Stärke, die zurecht das Buch schnell in die Bestsellerlisten katapultiert hat. Es ist eben keine Aufzählung im Sinne von "erst passierte das, dann das". Es ist eine detailgenaue Analyse der politischen Stationen der politischen Parteien, wobei, der Titel lässt es ahnen, die CDU im Vordergrund steht. Mit diesem Aufhänger geht es durch die letzten Jahre Politikgeschichte in der Bundesrepublik. Hineingewebt sind jede Menge Details, über die Alexander aus seinem alltäglichen Job verfügt, oft keine öffentlichen, vielleicht sogar außerhalb des öffentlichen Interesses. Doch alles zusammen, Fakten, Analysen, Details, machen aus dem Report einen spannenden Roman.


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James Hawes: Die kürzeste Geschichte Englands

James Hawes: Die kürzeste Geschichte Englands

Für manche Bücher musss man gewisse Vorlieben haben. Bei ALLES wird ZAHL für die Mathematik, bei Die kürzeste Geschichte Englands für Großbritannien oder wenigstens einen Teil davon. Nun findet man Details über die englische Geschichte nicht erst seit diesem Buch, aber selten so kompakt und dicht. James Hawes hatte bereits Die kürzeste Geschichte Deutschlands geschrieben, nun macht er das für sein Heimatland Großbritannien. James Hawes, geboren 1960 in der englischen Grafschaft Wiltshire, ist passionierter Schriftsteller und Universitätsdozent für kreatives Schreiben in Oxford, promovierter Germanist.  Seine Geschichte über das Werden Englands, wie wir es heute kennen, beginnt bei ihm 55 v. Chr., als die Römer erstmals das südliche England besuchten, aber nicht blieben. Erst gut zehn Jahre später schauen sie mal wieder vorbei und lassen sich nieder. Eine kulturelle Hochzeit beginnt in dem Bereich, den wir heute England nennen. An den Vorläufern der Bewohner des heutigen Schottland und Cornwall scheitern sie. Ehe ich nun auf weitere Details nach dem Abzug der Römer eingehe, die Kriege mit Pikten und Walisern, die Überfälle von Wikingern, Dänen, Sachsen und Franken: den Inhalt des Buches nur annähernd zu umreißen, ist praktisch nicht möglich. Ich versuche es trotzdem.


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Thomas De Padova: ALLES wird ZAHL

Thomas De Padova: ALLES wird ZAHL

Auf dieses Buch gestoßen bin ich beim regelmäßigen Radiohören. In WDR 5 in der Sendung Neugier genügt – Redezeit. Sieht man das Cover des Buches, scheint es von der Mathematik zu handeln, aber dieser Eindruck täuscht ein wenig. Es geht um die Geschichte der Mathematik zu einer bestimmten Zeit, nämlich der Renaissance. Doch in erster Linie drehen sich die Kapitel um die großen Protagonisten dieser Zeit, und das wieder sind gar keine reinen Mathematiker, sondern eher Künstler. Johannes Müller alias Regiomontanus, Leonardo Da Vinci, Albrecht Dürer. Natürlich geht es auch um Mathematik, aber das bis auf das letzte Kapitel eher am Rande. Es spielt in der Zeit, als das römische Zahlensystem allmählich vom indisch-arabischen abgelöst wurde, als Maler heraus fanden, wie man Perspektiven zeichnet, wie Malerei und Mathematik zusammenhängen, welche große Bedeutung die griechische Geometrie für die bildlich korrekte Darstellung von Tiefen und Winkeln hat. Zuvor waren Bilder und Gemälde eher Farbflächen, erst Da Vinci und Dürer machten aus ihnen Werke, die der Fotografie ähnelten. Aber es geschah noch mehr. So wie heute die Digitalisierung schuf der Buchdruck einen Kulturwandel. Wenn man so will, begann mit dem Buchdruck die Moderne.


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Gartenrunde, wohl 70er Jahre

Gartenrunde, wohl 70er Jahre

Obwohl ich Jürgen Wiebickes Buch nun schon länger abgeschlossen habe, wirkt die Geschichte in mir nach. Einmal, weil es viele Parallelen gibt, Wiebicke ist Jahrgang 1962, ich bin Jahrgang 1956. Auch meine Mutter ist die vorletzte Person in meiner Familie, die noch den letzten Krieg selbst erlebt hat, zu meiner Tante, Witwe des Bruders meiner Mutter, habe ich keinen Kontakt mehr. So wie Wiebicke seinen tief roten, sozialdemokratischen Opa hatte, der trotzdem für aus seiner Sicht schlechte Menschen den Begriff "Jüd" verwendete, gab es bei mir Onkel Heini, Bruder meiner Großmutter, der noch bis zu seinem Tod in den Achtzigern den überzeugten Nazi heraushängen ließ. Seine Tochter schwärmte von den tollen Zeiten im BDM (Bund deutscher Mädchen), Jude und Neger waren noch übliche Schmähungen in dieser Zeit. Das, was Wiebicke als Nazigift bezeichnet, war genau so in meine Familie tief eingedrungen, war ein Teil der DNA geworden. Dazwischen ich, die Pubertät gerade hinter mir, politisch weit links und bereits Teil der beginnenden Globalisierung. Nicht mehr lange und ich sollte in den USA, in Australien und England arbeiten und leben, wenigstens einige Zeit. So wie Wiebicke rücke ich beim Ableben meiner Mutter, 1933 geboren, ein Kästchen weiter nach vorn. Dann bin ich der Älteste in der Familie. Und der Letzte, der wenigstens noch von Zeitzeugen unmittelbar etwas über den Krieg gehört hat. Die Welt mit seiner Mutter, die Erzählungen über Bombenangriffe, Bunkernächte und die unbesiegbare Angst, kenne ich wie Wiebicke von seiner Mutter gut. Und doch ist es nicht das allein, was nachwirkt.


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